Leichter Anstieg bei Organspenden, aber keine Trendwende

Würzburg/Berlin – Die Zahl der Organspenden in Deutschland ist in den ersten zehn Monaten des Jahres 2025 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum leicht gestiegen. Für die rund 8.400 Betroffenen, die derzeit in Deutschland auf ein Spenderorgan warten, sei diese Entwicklung „ein positives Signal, aber keine nachhaltige Trendwende“, sagte Axel Rahmel, Medizinischer Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO), heute zum Auftakt des DSO-Jahreskongresses in Würzburg.
Konkret registrierten die rund 1.100 Entnahmekrankenhäuser von Januar bis Oktober dieses Jahres bundesweit 836 postmortale Spenderinnen und Spender – ein Zuwachs von knapp sechs Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum (789).
Insgesamt wurden in diesem Zeitraum 2.523 Organe in Deutschland entnommen und über die internationale Vermittlungsstelle Eurotransplant vermittelt. Auch diese Zahl liegt über dem Vorjahreswert von 2.391. Von diesen Organen konnten 2.738 in Deutschland transplantiert werden (Vorjahr: 2.557).
Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) würdigte in einem Videogrußwort zum Kongress das Engagement der Mitarbeitenden in den Entnahmekrankenhäusern. „Es erfordert viel Engagement, das Denken an die Organspende zur Routine werden zu lassen und am Lebensende als Option in Betracht zu ziehen“, sagte sie.
Gleichzeitig betonte sie jedoch, dass trotz des leichten Anstiegs der Spendenzahlen der Bedarf weiterhin hoch sei. „Für die Patientinnen und Patienten auf den Wartelisten ist es lebensnotwendig, an vielen Stellschrauben zu drehen – bei der Aufklärung, in den Abläufen und im gesetzlichen Rahmen.“
„Die leichten Steigerungen sind erfreulich, dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir weiterhin ein strukturelles Problem haben“, erklärte auch Rahmel. Auffällig sind dem DSO-Vorstand zufolge regionale Unterschiede sowie Unterschiede zwischen den Krankenhäusern. Besonders viele Spenden würden in Ostdeutschland realisiert sowie in Universitätskliniken und Kliniken mit einer Neurochirurgie.
Rahmel sprach von einer „heterogenen Entwicklung“ und forderte, die organisatorischen und strukturellen Unterschiede zwischen den Kliniken stärker in den Blick zu nehmen: „Es gibt immer noch große Differenzen in der Beteiligung der Krankenhäuser am Organspendeprozess. Da müssen wir was tun.“
Neue App und technische Innovationen sollen Kliniken unterstützen
Ein Schwerpunkt des zweitägigen DSO-Kongresses liegt in diesem Jahr deshalb auf praktischen Strategien, um die Organspende im Klinikalltag zu erleichtern. Vorgestellt wurde heute die neue App „DSO-Leitfaden Plus“, die Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte bei der Organisation von Organspenden unterstützen soll.
„Mit der App stellen wir allen Entnahmekrankenhäusern jederzeit und überall alle relevanten Informationen, Kontakte und Formulare zur Verfügung“, erklärte Rahmel. Die Anwendung basiere auf dem bewährten „Leitfaden für die Organspende“ und sei sowohl im Apple App Store als auch bei Google Play verfügbar.
Da im hektischen Klinikalltag oft die Zeit für ausführliche Recherchen fehlt, sollen Ärztinnen und Ärzte, Pflegekräfte sowie Transplantationsbeauftragte in der App schnell die aktuellen rechtlichen Grundlagen und Verfahrensanweisungen finden können. Sie können darüber auch direkt die Hotline ihrer DSO-Region oder zuständige Ansprechpersonen kontaktieren.
Das „Plus“ steht für zusätzliche, praxisnahe Unterstützung: In kommenden Updates sollen Checklisten, To-Do-Listen, ausfüllbare PDF-Formulare und Ablaufgrafiken für den Akutfall integriert werden. Außerdem sind aktuelle News und Veranstaltungshinweise geplant, die auf Wunsch per Push-Benachrichtigung empfangen werden können.
Zudem kündigte Thomas Biet, Kaufmännischer Vorstand der DSO, an, dass ab Januar 2026 die Maschinenperfusion für Nieren eingeführt wird. Dieses Verfahren ermöglicht eine kontinuierliche Durchspülung der Spenderniere außerhalb des Körpers und verbessert dadurch deren Haltbarkeit und Funktion und soll morgen, am zweiten Tag des DSO-Kongresses, näher vorgestellt werden.
„Mit der Maschinenperfusion für Nieren von Spendern mit erweiterten Spenderkriterien machen wir einen wichtigen Schritt zur Verbesserung der Organqualität und Transplantationsergebnisse“, so Biet.
Ein großes Hindernis für eine höhere Spenderquote bleibe die fehlende Zustimmung der Menschen zur Organspende, betonte Rahmel. So hätten zwischen Januar und Oktober 2025 die Krankenhäuser 2.963 potenzielle Organspenden gemeldet. Davon hätten jedoch 2.127 Fälle nicht realisiert werden können. Etwa die Hälfte dieser gescheiterten Fälle sei auf eine fehlende Einwilligung der Angehörigen zurückzuführen gewesen, noch vor medizinischen Gründen wie Kontraindikationen oder Kreislaufversagen.
„Wenn Angehörige über eine mögliche Organspende entscheiden müssen, beträgt die Zustimmungsrate weniger als 25 Prozent“, bedauerte Rahmel. Nur etwa 15 Prozent der potenziellen Spenderinnen und Spender hätten zu Lebzeiten eine schriftliche Willenserklärung abgegeben. Das führe dazu, dass Angehörige in einer emotional extrem belastenden Situation über eine Spende entscheiden müssten, oft ohne Anhaltspunkt, was der oder die Verstorbene gewollt hätte.
Leider habe bislang das Register für Erklärungen zur Organ- und Gewebespende (Organspende-Register) wenig gebracht, so Rahmel. Nur etwa 415.000 Menschen hätten sich bis heute – 604 Tage nach Start des zentralen elektronischen Verzeichnisses, in dem man die Entscheidung für oder gegen eine Organ- und Gewebespende festgehalten kann – registriert. „Das Register wird keine Änderung der Situation bringen“, so Rahmel. Wenn das Tempo so weiterginge, wären in zehn Jahren lediglich 3,5 Prozent der erwachsenen Bevölkerung erfasst.
Der Vorsitzende des DSO-Stiftungsrates, Frank Ulrich Montgomery, lenkte den Blick auf eine weitere Problematik: Er warnte heute vor negativen Folgen der geplanten Krankenhausreform für die Transplantationsmedizin. Das derzeitige Gesetzgebungsverfahren schaffe Unsicherheit, ein Inkrafttreten sei vor Ende 2026 kaum zu erwarten.
„Es besteht die Gefahr eines ungeregelten Ausscheidens wichtiger Krankenhäuser aus der Versorgung – das kann auch der Organspende massiv schaden“, so Montgomery. Der Stiftungsratvorsitzende forderte Bund und Länder auf, die Rahmenbedingungen der Transplantationsmedizin bei der Reform „explizit mitzudenken“.
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