Leitlinie: Erweiterte Empfehlung zu Insulinpumpentherapien bei Kindern und Jugendlichen

Berlin – Eine Insulinpumpentherapie soll künftig in der S3-Leitlinie „Diagnostik, Therapie und Verlaufskontrolle des Diabetes mellitus im Kindes- und Jugendalter“ allen Kindern und Jugendlichen bei Manifestation oder als Wechsel von der Spritzentherapie ermöglicht werden.
In der letzten Leitlinienaktualisierung von 2015 wird die Insulinpumpentherapie nur für bestimmte Patientengruppen empfohlen. In der vorraussichtlich Ende 2023 erscheinenden Leitlinie soll sich das nun ändern. Das gab Martin Holder, Leitlinienkoordinator und Leitender Oberarzt am Klinikum Stuttgart, heute bei einer Pressekonferenz anlässlich des diesjährigen Diabetes Kongresses bekannt.
„Metaanalysen und systematische Reviews zeigen, dass mit der Insulinpumpentherapie, insbesondere dem frühen Beginn, in allen Altersgruppen im Vergleich zur intensivierten Insulintherapie (ICT) eine Verbesserung der Stoffwechseleinstellung (HbA1c) erzielt wird“, sagte Holder. Das Gleiche gelte für die kontinuierliche Glukosemessung (CGM). Zusätzlich sollen Automatische Insulin-Dosierungssysteme (AID-Systeme) in die Leitlinie aufgenommen werden.
„Erste Studien und die tägliche Praxis zeigen eindrücklich eine Senkung der mittleren Glukosewerte, mehr Zeit im Zielbereich von 70–180 mg/dl (3,9–10 mmol/l), Reduktion der Glukoseschwankungen, eine deutlich verbesserte Einstellung in der Nacht mit einer verbesserten Schlafqualität für Kinder und Jugendliche sowie Eltern und besserer Effektivität tagsüber“, so Holder.
Eine aktuelle Pumpen- / Sensorverordnung sollte daher die Möglichkeit zum AID-System bieten. Für AID-Systeme fingen systematische Reviews gerade erst an, daher kämen die Systeme mit einem „sollte“, also dem zweitstärksten Empfehlungsgrad, in die Leitlinie.
Schulungen notwendig
Wichtig für eine erfolgreiche Anwendung der neuen Therapiesysteme seien auch Schulungen. Zudem sei ist eine intensivere Betreuung in Kitas, Kindergärten und Schule notwendig. „Deshalb wird für diese Einrichtungen der Einsatz von Kita-, Kindergarten- und Schulgesundheitsfachkräften gefordert“, sagte Holder.
„Erwähnenswert ist, dass bei AID-fähigen Insulinpumpen mit kompatiblen CGM-Systemen ein Problem bei der Kostenübernahme durch die Krankenkasse besteht“, sagte Sandra Schlüter, Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft „Diabetes und Technologie“ (AGDT) von der Diabetespraxis Northeim.
Aufgrund der Regularien könne es passieren, dass eine AID-fähige Insulinpumpe keine Kostenzusage für das dazugehörige CGM-System erhält. Somit kann die Algorithmussteuerung nicht genutzt werden. Das liege unter anderem an unterschiedlichen Rabattverträgen der Krankenkasse.
Weitere Neuerungen
„Seit der letzten Aktualisierung unserer S3-Leitlinie im Jahre 2015 hat es in der Kinderdiabetologie einen enormen technischen Fortschritt und inhaltliche Weiterentwicklungen gegeben“, sagte Holder.
So werde auch das erste Mal die Videosprechstunde in der Leitlinie erwähnt. Erste Studien zeigten, dass die Videosprechstunde teilweise als Ersatz eines Praxistermins dienen könnte, so Holder.
Weitere Innovationen in der Leitlinie fänden sich in der Früherkennung und Prävention. „Die neue Einteilung des Typ-1-Diabetes in verschiedene Stadien kann in Zukunft Interventionen ermöglichen, die den klinischen Beginn der Diabeteserkrankung signifikant verzögern oder vermeiden können.“
Zudem erlaubten neue ultrakurz und ultralang wirksame Insulinanaloga eine individuellere, den jeweiligen Bedürfnissen des Kindes und Jugendlichen angepasste ICT.
„Ein eigenes Kapitel befasst sich mit den verschiedenen anderen Diabetesformen im Kindesalter, die zwar seltener sind, daher aber die Empfehlungen der Leitlinie umso wichtiger für die Versorgung sind“, sagte Holder.
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