Medizin

Leitungswasser in den USA: Viele Kinder mit besseren Zähnen, nur wenige mit mehr Blei im Blut

  • Donnerstag, 30. November 2017
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Chapel Hill – Fluoridhaltiges Leitungswasser schützt Kinder in den USA vor Karies. Das konnten bereits frühere Studien zeigen. Aktuellen Daten zufolge hatte ein kleiner Anteil der Leitungswassertrinker allerdings auch erhöhte Bleiwerte im Blut. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher der University of North Carolina at Chapel Hill in einer Publikation im American Journal of Preventive Medicine (2017; doi: 10.1016/j.amepre.2017.09.004).

Anne E. Sanders und ihr Team hatten fast 16.000 Kinder und Jugendliche zwischen 2 und 19 Jahren untersucht, die an der National Health and Nutrition Examination Survey (NHANES) teilgenommen hatten. Von mehr als 12.000 Teilnehmern lagen Blutwerte vor, von etwa 5.600 Zahnuntersuchungen.

Etwa 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen gaben an, kein Leitungswasser zu trinken, das in den USA, anders als in Deutschland, künstlich mit Fluorid angereichert wird. Den tatsächlichen Fluoridgehalt des Leitungswassers kannten die Autoren jedoch nicht.

Erhöhte Bleikonzentrationen im Blut, was die Autoren mit mindestens 3 Mikro­gramm pro Deziliter festlegten, fanden die Forscher eher bei jenen, die Leitungswasser tranken (3,1 Prozent versus 1,9 Prozent; adjusted prevalence ratio = 0,62). Über 5 Mikrogramm Blei pro Deziliter erreichten weniger als 1 Prozent der Kinder.

Gleichzeitig trat bei den Leitungswassertrinkern seltener Karies auf. Fast jeder zweite hatte an mindestens einem betroffenen Zahn Karies. Bei jenen, die kein Leitungswasser tranken, waren 55,3 Prozent von Karies betroffen (adjusted prevalence ratio = 1,13; Leitungswassertrinker als Referenz).

Zwar sei von erhöhten Bleiwerten nur eine kleine Minderheit der Kinder betroffen, sagt Sanders. Sie macht aber dennoch auf die gesundheitlichen Konsequenzen des Schwermetalls aufmerksam. Wie viele Haushalte zu hohe Bleiwerte im Leitungswasser hätten, könne man anhand der NHANES-Daten nicht sagen. Die Vorteile des Kariesschutzes überwiegen ihrer Einschätzung nach: „Die US-Bevölkerung sollte unabhängig vom Alter fluori­dier­tes Leitungswasser trinken. Eine Empfehlung für eine Obergrenze gibt es dafür nicht.“ Die Richtlinie für den optimalen Fluorgehalt im Leitungswasser hat das Center for Disease Control and Prevention erst 2015 aktualisiert. Es werden 0,7 mg/l empfohlen. Den Nutzen von Fluor führen Forscher auf den direkten Kontakt mit dem Zahnschmelz zurück. Manche Experten vermuten aber auch den Einbau von Fluor in die Zahnkeime, woraus eine verstärkte Fluoridierung von Zähnen im Entwicklungs­stadium folgen könnte. Hingegen lehnen Gegner einer Trinkwasserfluoridierung nicht nur die Zwangsmedikation der gesamten Bevölkerung ab. Sie befürchten auch unerwünschte Nebenwirkungen.

Leitungswasser in Deutschland enthält weniger Fluor

In Deutschland findet eine Trinkwasserfluoridierung nicht statt. Die Fluoridgehalte des Trinkwassers seien im allgemeinen niedrig, teilte das Bundesinstitut für Risiko­for­schung (BfR) 2005 mit. Mehr als 90 Prozent des Trinkwassers enthalten weniger als 0,3 mg Fluorid pro Liter. Gleichzeitig betont das BfR die günstige Wirkung von Fluorid in der Verhütung von Karies.

Das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) teilt in einer Stellungnahme mit, dass die für eine Kariesprophylaxe optimale Fluoridaufnahme in Mundpflegemitteln, speziell in Kinderzahnpasten, bei einer Gesamtaufnahme von 0,05 bis 0,07 mg Fluorid/kg Körpergewicht am Tag liege. Das BgVV sprach bereits 1999 eine ausdrücklich Empfehlung für die Verwendung von fluoridiertem Speisesalz aus als einer zusätzlichen Maßnahme der Kariesbekämpfung.

Grenzwert für Blei im deutschen Leitungswasser bei 0,01 mg/l

Vor einer Gesundheitsgefährdung durch Blei im Trinkwasser warnt auch das Umwelt­bundesamt (UBA) in Deutschland. Blei könne bereits in sehr niedrigen Aufnahme­mengen bei Ungeborenen, Säuglingen und Kleinkindern das Nervensystem schädigen sowie die Blutbildung und die Intelligenzentwicklung beeinträchtigen. Der Grenzwert für Blei in Leitungswasser wurde daher in der Bundesrepublik zum 1. Dezember 2013 weiter auf maximal 0,010 mg/l reduziert.

„Mit dem neuen Grenzwert werden Bleirohre als Trinkwasserleitung quasi unbrauchbar. Wird der Blei-Grenzwert in einer Leitung überschritten, kann das Gesundheitsamt den Wasserversorger oder den Vermieter verpflichten, die Ursache der Überschreitung zu beseitigen. Faktisch wird dazu meist ein kompletter Austausch der Bleirohre nötig sein“, sagte Jochen Flasbarth, Präsident des UBA.

gie

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