Letzte Bundestagsdebatte vor der Wahl: Nichts Neues zur Gesundheitspolitik

Berlin – Das deutsche Gesundheitswesen spielt im Wahlkampf weiterhin keine Rolle. Das haben die Debatten der vergangenen Tage eindrucksvoll gezeigt. Im TV-Duell zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Herausforderer Martin Schulz (SPD) kam das Wort Pflegekraft nur einmal im Zusammenhang mit der Frage vor, ob bis zum 70. Lebensjahr gearbeitet werden muss. Das verneinten sowohl Merkel als auch Schulz. Ansonsten gab es keinen Satz zur Gesundheitspolitik und ihren Problemen.
Auch heute, in der allerletzten Debatte im Bundestag vor der Bundestagswahl am 24. September, setzte sich die Inhaltsleere vor der Wahl zur Gesundheitspolitik fort. Es gab keinerlei neuen Erkentnisse. Eine Rolle spielte kurz die Digitalisierung, dabei ging es aber nicht um die Telematik im Gesundheitswesen. Eine der größten Herausforderungen für den nächsten Bundesgesundheitsminister.
Digitalisierung wichtig
Merkel sprach heute in der gut dreistündigen Debatte über die „Situation in Deutschland“. Sie zog erwartungsgemäß eine positive Bilanz der Regierungsarbeit, in die sie immer wieder ausdrücklich auch die SPD einbezog. Zugleich mahnte sie, den digitalen Fortschritt nicht zu verpassen. „Wir wollen nicht im Technikmuseum enden als Deutschland“, sagte sie. SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz durfte im Bundestag nicht sprechen, weil er kein Abgeordneter des Parlaments ist.
Dass Deutschland nicht nur in der Telematik Herausforderungen zu bewältigen hat, zeigte heute eine Forderung aus Sachsen. Dort lahmt das Internet. Das Bundesland nimmt beim Breitbandausbau den drittletzten Platz ein. Nur knapp 58 Prozent der Haushalte haben eine Verbindung mit einer Datenrate von mindestens 50 Megabits pro Sekunde. Vor allem im ländlichen Raum sieht es dünn aus. Ein Problem für Ärzte und Krankenhäuser.
Mehr Tempo beim Breitbandausbau
Daher pochte das sächsische Gesundheitswesen heute auf mehr Tempo beim Ausbau schneller Internetverbindungen. Diese sind nicht nur eine Voraussetzung für die künftige Telemedizin, sondern werden von Ärzten unter anderem auch für eine rasche Abrechnung ihrer Leistungen benötigt. Gerade auf dem Lande sei der Breitbandausbau dringend notwendig, weil dort Telemedizin oder die Videosprechstunde die Versorgung sofort verbessern könnten, sagte Simone Hartmann, Chefin der Techniker Krankenkasse (TK). Sie verweist auf Länder wie die Schweiz oder Estland, wo Telemedizin schon lange etabliert ist.
Die Vorteile telemedizinischer Fernbehandlung sind für sie offensichtlich. Sie könnte nicht nur die Versorgung verbessern, sondern die wenigen dort ansässigen und überlaufenen Arztpraxen entlasten. Patienten, die in ihrer Mobilität eingeschränkt seien, müssten seltener lange Anfahrtswege zum Arzt auf sich nehmen. Einige Erkrankungen ließen sich via Online-Sprechstunde vom Hausarzt behandeln.
Hartmann sieht im schnellen Breitbandausbau eine Zukunftssicherung für die gesamte Wirtschaft. „Das digitale Zeitalter hat längst begonnen. Regionen können es sich nicht leisten, da abgehängt zu werden.“ Die Politik müsse den rechtlichen Rahmen für einen Ausbau der Telemedizin schaffen.
„Ganz aktuell lassen sich Auswirkungen des lückenhaften Breitbandausbaus bei der elektronischen Notarztabrechnung erleben“, sagte Dirk Bunzel, Sprecher des Verbandes der Ersatzkassen im Freistaat. Die Krankenkassen seien verantwortlich, dass genügend Notärzte zur Verfügung stünden. „Um diese Einsätze für die Ärzte attraktiver zu machen, haben die Krankenkassen unter anderem die elektronische Abrechnung eingeführt. In einigen Regionen können reichlich ein Jahr nach Beginn des Projekts immer noch nicht die Notarzteinsätze elektronisch abgerechnet werden, weil vor Ort ein schnelles Internet fehlt.“ Konsequenz: Statt 40 Tage müssen die Betroffenen mehr als ein halbes Jahr auf die Vergütung warten.
Offenheit gefordert
Bunzel würdigte aber auch den Umstand, dass der Freistaat die Digitalisierung zur Chefsache erklärte und in den aktuellen Doppelhaushalt zehn Millionen Euro für die Förderung der Telemedizin einstellte. Dennoch werde Sachsen an Tempo zulegen müssen, wenn es bei der Telemedizin an die Spitze will. „Auch andere Bundesländer legen die Hände nicht in den Schoß. Und das nicht nur beim Breitbandausbau. Baden-Württemberg will beispielsweise schon zum Jahresende die Online-Sprechstunde in einem Modellversuch testen“, sagt der Verbandssprecher.
Für die AOK plus spielt nicht zuletzt der Faktor Mensch eine Rolle. „Die Bereitschaft einzelner Akteure, die technischen Möglichkeiten der Digitalisierung für die medizinische Versorgung zu nutzen, ist mindestens ebenso ausbaufähig wie das schnelle Internet in einigen Gegenden“, meint Sprecherin Hannelore Strobel.
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