Ärzteschaft

Lieferengpässe: Montgomery fordert Medikamentenreserve

  • Donnerstag, 27. April 2017
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Berlin – In Deutschland müssen wichtige Arzneimittel auf Reserve angelegt werden. Inter­national muss die Arzneimittelproduktion besser überwacht werden. Beides hat der Präsi­dent der Bundesärztekammer (BÄK), Frank Ulrich Montgomery, als Reaktion auf die Lie­fer­engpässe beim Narkosemittel Remifentanil gefordert. „Es kann nicht sein, dass ein hoch industrialisiertes Land wie Deutschland die Gesundheitsversorgung der Bevöl­ke­­rung nicht sicherstellen kann“, sagte Montgomery. Lebenswichtige Medikamente müssten jederzeit zur Verfügung stehen, sagte Mont­gomery.

Er betonte darüber hinaus, dass Lieferengpässe von Arzneimitteln zu einem grundsätzli­chen Problem geworden sind. Die Grundstoffe wichtiger Medikamente würden häufig nur noch von wenigen Firmen zumeist in China oder Indien hergestellt. „Diese Abhän­gigkeit von wenigen Produktionsstandorten ist nicht gesund“, sagte er. Montgomery fordert die Bundesregierung auf, darauf zu drängen, dass ein internationales Kataster über Arznei­mittel aufgebaut wird. „Wir müssen wissen, welche Medikamente wo und wie produziert werden“, sagte er.

Unterstützung erhält er von der AOK Baden-Württemberg. Sie geht aber noch einen Schritt weiter. Neben einer nationalen Reserve fordert die AOK eine sanktionierbare Mel­depflicht. Es sei „notwendig zu wissen, welche Arzneimittelmengen sich überhaupt im Markt und dort insbesondere beim Hersteller befinden“, sagte der Vorstandschef der AOK Baden-Württemberg, Christopher Hermann, in Stuttgart.

Eine wichtige Kontrollfunktion muss nach Ansicht Hermanns das Bundesinstituts für Arz­neimittel und Medizinprodukte (BfArM) ausüben. Nicht nur Pharmaunternehmen sollten Lieferprobleme verpflichtend melden – alle Akteure der Handelskette müssten ebenso verpflichtet werden dem Bundesinstitut als Trustcenter regelmäßig ihre Lagerbestände zu übermitteln. „Die Zeit der freiwilligen Meldungen muss für die Pharmalobby nach so vielen verschwiegenen Lieferausfällen endgültig vorbei sein“, so Hermann.

Die AOK weist auf eine jüngst vom Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker ADKA durchgeführte Umfrage bei Krankenhausapotheken. Daraus ging hervor, dass ei­ne bedenkliche Anzahl versorgungskritischer Arzneimittel in Kliniken fehlen. Arz­neimittel mit 280 verschiedenen Wirkstoffen seien demnach nicht verfügbar gewesen, darunter 30, die die jeweilige Klinikapotheke als versorgungskritisch eingestuft hatte. Lediglich acht der 30 Wirkstoffe hätten die Hersteller an das BfArM gemeldet. „Auch hier sind fehlende Transparenz und mangelnde Kontrollmechanismen Ursache der Missstände gewesen“, erklärte Hermann.

Bei Präparaten mit dem Wirkstoff Remifentanil gibt es seit einigen Monaten Nachschub­prob­leme. Das Narkosemittel kommt vor allem bei ambulanten Operationen zum Einsatz. Nach Worten von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sind Patienten durch die aktuellen Lieferengpässe nicht gefährdet. „Es zeichnet sich kein Versor­gungsengpass ab“, sagte Gröhe der Neuen Osnabrücker Zeitung. In den allermeisten Fällen stünden Alternativen für Arzneimittel mit dem Wirkstoff Remifentanil zur Verfügung. „Die deut­schen Anästhesisten haben versichert, dass keine notwendigen Operationen verscho­ben werden müssen“, erklärte der Minister.

Gröhe sagte dazu, Krankenhäuser seien bereits verpflichtet, Medikamente für zwei Wo­chen zu bevorraten. Und Pharmaunternehmen seien dazu verpflichtet worden, Kranken­häuser zu informieren, sobald ihnen Kenntnisse über Lieferengpässe bei bestimmten Arz­neimitteln vorlägen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) stehe im regelmäßigen Austausch mit Fachverbänden und Herstellern, um bei Liefereng­pässen schnell Lösungen zu erarbeiten.

afp

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