Lieferengpässe: Montgomery fordert Medikamentenreserve

Berlin – In Deutschland müssen wichtige Arzneimittel auf Reserve angelegt werden. International muss die Arzneimittelproduktion besser überwacht werden. Beides hat der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Frank Ulrich Montgomery, als Reaktion auf die Lieferengpässe beim Narkosemittel Remifentanil gefordert. „Es kann nicht sein, dass ein hoch industrialisiertes Land wie Deutschland die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung nicht sicherstellen kann“, sagte Montgomery. Lebenswichtige Medikamente müssten jederzeit zur Verfügung stehen, sagte Montgomery.
Er betonte darüber hinaus, dass Lieferengpässe von Arzneimitteln zu einem grundsätzlichen Problem geworden sind. Die Grundstoffe wichtiger Medikamente würden häufig nur noch von wenigen Firmen zumeist in China oder Indien hergestellt. „Diese Abhängigkeit von wenigen Produktionsstandorten ist nicht gesund“, sagte er. Montgomery fordert die Bundesregierung auf, darauf zu drängen, dass ein internationales Kataster über Arzneimittel aufgebaut wird. „Wir müssen wissen, welche Medikamente wo und wie produziert werden“, sagte er.
Unterstützung erhält er von der AOK Baden-Württemberg. Sie geht aber noch einen Schritt weiter. Neben einer nationalen Reserve fordert die AOK eine sanktionierbare Meldepflicht. Es sei „notwendig zu wissen, welche Arzneimittelmengen sich überhaupt im Markt und dort insbesondere beim Hersteller befinden“, sagte der Vorstandschef der AOK Baden-Württemberg, Christopher Hermann, in Stuttgart.
Eine wichtige Kontrollfunktion muss nach Ansicht Hermanns das Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ausüben. Nicht nur Pharmaunternehmen sollten Lieferprobleme verpflichtend melden – alle Akteure der Handelskette müssten ebenso verpflichtet werden dem Bundesinstitut als Trustcenter regelmäßig ihre Lagerbestände zu übermitteln. „Die Zeit der freiwilligen Meldungen muss für die Pharmalobby nach so vielen verschwiegenen Lieferausfällen endgültig vorbei sein“, so Hermann.
Die AOK weist auf eine jüngst vom Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker ADKA durchgeführte Umfrage bei Krankenhausapotheken. Daraus ging hervor, dass eine bedenkliche Anzahl versorgungskritischer Arzneimittel in Kliniken fehlen. Arzneimittel mit 280 verschiedenen Wirkstoffen seien demnach nicht verfügbar gewesen, darunter 30, die die jeweilige Klinikapotheke als versorgungskritisch eingestuft hatte. Lediglich acht der 30 Wirkstoffe hätten die Hersteller an das BfArM gemeldet. „Auch hier sind fehlende Transparenz und mangelnde Kontrollmechanismen Ursache der Missstände gewesen“, erklärte Hermann.
Bei Präparaten mit dem Wirkstoff Remifentanil gibt es seit einigen Monaten Nachschubprobleme. Das Narkosemittel kommt vor allem bei ambulanten Operationen zum Einsatz. Nach Worten von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sind Patienten durch die aktuellen Lieferengpässe nicht gefährdet. „Es zeichnet sich kein Versorgungsengpass ab“, sagte Gröhe der Neuen Osnabrücker Zeitung. In den allermeisten Fällen stünden Alternativen für Arzneimittel mit dem Wirkstoff Remifentanil zur Verfügung. „Die deutschen Anästhesisten haben versichert, dass keine notwendigen Operationen verschoben werden müssen“, erklärte der Minister.
Gröhe sagte dazu, Krankenhäuser seien bereits verpflichtet, Medikamente für zwei Wochen zu bevorraten. Und Pharmaunternehmen seien dazu verpflichtet worden, Krankenhäuser zu informieren, sobald ihnen Kenntnisse über Lieferengpässe bei bestimmten Arzneimitteln vorlägen. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) stehe im regelmäßigen Austausch mit Fachverbänden und Herstellern, um bei Lieferengpässen schnell Lösungen zu erarbeiten.
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