Long COVID bisher „unzureichend verstanden“

Berlin – Wie viele Menschen sind von Long COVID betroffen? Und was sind die Ursachen dieser Erkrankung? Nach Ansicht des Robert-Koch-Instituts (RKI) fehlen repräsentative Studien, um diese Fragen beantworten zu können.
Es sei bisher nicht möglich, sicher abzuschätzen, wie häufig Long COVID nach einer Coronainfektion auftrete, schreibt das Institut in einem gestern veröffentlichten Bulletin. „Hauptgrund hierfür ist, dass das Krankheitsbild nach wie vor nur unzureichend verstanden ist.“
Zudem fehle es vor allem an „bevölkerungsrepräsentativen, kontrollierten Studien mit ausreichender Nachbeobachtungszeit“, die Menschen mit und ohne Coronainfektion verglichen.
Nach einer für die Weltgesundheitsorganisation (WHO) durchgeführten Analyse waren in Europa geschätzt mindestens 17 Millionen Menschen in den ersten beiden Jahren der Pandemie von Long-COVID-Symptomen betroffen.
Ein häufiges Problem bei der Diagnose von Long COVID ist die Vielzahl an Symptomen: Erschöpfung, Angstsymptome, kognitive Beeinträchtigungen wie etwa Konzentrations- und Gedächtnisprobleme und anhaltende Atemwegsbeschwerden wie Kurzatmigkeit und andauernden Husten.
Auch die Ursachen der Krankheit sind nach Auffassung des RKI noch „unzureichend verstanden“. Carmen Scheibenbogen, Leiterin der Immundefekt-Ambulanz an der Charité in Berlin, forderte mehr Förderung für die Untersuchung der Krankheit. Sie gilt als eine der führenden Expertinnen zum Thema Long COVID und hat sich auch vorher schon mit ähnlichen Beschwerden befasst.
„Wir brauchen Forschung auf mehreren Ebenen, denn es ist kein einheitliches Krankheitsbild“, sagte sie. „Wir brauchen hier dringend mehr Bewusstsein, dass es ein gesamtgesellschaftliches Problem ist.“
An der Charité seien zurzeit drei klinische Studien zu Long COVID in der Vorbereitung. Dafür habe es auch eine Förderung gegeben. Aber klinische Studien seien deutlich bürokratischer geworden und hätten einen hohen organisatorischen Aufwand, sagte Scheibenbogen. „Es ist manchmal kaum auszuhalten im Angesicht dieser großen Not.“
Auch bei der Einrichtung von Behandlungszentren forderte die Medizinerin mehr Unterstützung von der Politik. „Bislang beruht das alles auf Eigeninitiative. Aber wir haben bislang keinerlei Förderung dafür.“ Förderung sei vor allem auch für Koordinierungsstellen wichtig, um die Patienten besser im Netzwerk zuzuordnen.
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