Medizin

Long COVID: CT-Veränderungen in der Lunge auch nach 1 Jahr sichtbar

  • Montag, 11. April 2022

Innsbruck – Die Schäden, die COVID-19 in den Lungen hinterlässt, heilen nur langsam ab. In einer Langzeitstudie in Radiology (2022; DOI: 10.1148/radiol.211670) hatte mehr als die Hälfte aller Patienten auch nach einem Jahr noch Veränderungen in der Computertomografie (CT). Am meisten gefährdet waren Männer über 60 Jahre nach einer kritischen akuten Erkrankung.

Die Nachbeobachtung von Patienten, die 2003 während der ersten SARS-Pandemie erkrankten, lässt befürchten, dass auch Infektionen mit SARS-CoV-2 zu dauerhaften Schäden an den Lungen führen können. Ein Team um Baoguo Jiang von der Volksklinik der Universität Peking hatte in Bone Research (2020; 8: 8) berichtet, dass viele Überlebende nicht nur unter Hüftproblemen leiden (eine aseptische Hüftnekrose war Folge der damals verwendeten hochdosierten Steroidbehandlung).

Auch in den Lungen waren 15 Jahre nach der akuten Erkrankung bei vielen Patienten noch CT-Veränderungen sichtbar, die auf eine interstitielle Lungenfibrose hindeuten. In der (allerdings kleinen Serie von 71 Patienten) hatten sich die Läsionen im ersten Jahr deutlich zurückgebildet. Danach hatte die Abheilung jedoch stagniert, was auf einen chronischen, narbigen Umbau des Lungengewebes hindeutet.

Die Langzeitfolgen von SARS-CoV-2 werden sich erst in den nächsten Jahren zeigen. Bei 91 Patienten, die ein Team um Gerlig Widmann von der Medizinischen Universität Innsbruck seit dem Ende der akuten Erkrankung 4 Mal (nach 2, 3, 6 und 12 Monaten) mit einem Niedrigdosis-CT der Lunge untersucht hat, scheint sich eine ähnliche Entwicklung abzuzeichnen. Bei 49 der 91 Patienten, die das gesamte Spektrum von einem milden Verlauf bis hin zur kritischen Erkrankung mit intensivmedizinischer Behandlung und Beatmung/ECMO repräsentieren, waren auch nach 1 Jahr noch CT-Läsionen in der Lunge erkennbar: Bei 31 Patienten (34 %) waren dies nur subtile subpleurale Retikulationen (Netzbildungen) und/oder Milchglastrübungen. 18 Patienten (20 %) wiesen jedoch ausgedehnte Milchglastrübungen, Retikulationen, Bronchialerweiterung und/oder mikrozystische Veränderungen auf, die auf interstitielle Fibrosen also Vernarbungsprozesse hindeuten.

Eine multivariable Analyse ermittelte 3 Risikofaktoren für eine langsame oder fehlende Erholung im CT: Für Patienten über 60 Jahre ermittelt Widmann eine Odds Ratio von 5,8 (95-%-Konfidenzintervall 1,7-24). Auch ein männliches Geschlecht war mit anhaltenden CT-Anomalien assoziiert (Odds Ratio 8,9; 2,6-36). Am stärksten gefährdet waren jedoch Patienten, die eine kritische COVID-19 überlebt hatten (Odds Ratio 29; 4,8-280). Die weiten Konfidenzintervalle zeigen, dass es sich bei diesen Zahlen nur um eine erste Einschätzung handelt.

Der weitere Verlauf lässt sich laut Widmann nicht vorhersagen. Es seien 3 Szenarien vorstellbar: Die Veränderungen bilden sich langsam vollständig zurück, die Veränderungen halten an und es entwickeln sich stabile Vernarbungen, oder aber die Fibrose schreitet voran mit einer zunehmenden Verschlechterung der Lungenfunktion.

Die Erfahrungen mit den Patienten der ersten SARS-Epidemie zeigen, dass ungünstige CT-Befunde langfristig mit einer schlechteren Lungenfunktion verbunden sind. Wenn die Erkrankung jedoch im CT ausheilt, kann es auch nach Jahren noch zu einer Verbesserung der Lungenfunktion kommen.

rme

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