Marburger Bund: „Die Beschäftigten werden in Geiselhaft genommen“

Berlin – „Wir Ärzte wollen eine Medizin, die das tut, was am meisten hilft, und nicht das, was am meisten bringt“, betonte Rudolf Henke, der Vorsitzende des Marburger Bundes (MB), heute zum Auftakt der 124. MB-Hauptversammlung in Berlin. Voraussetzung dafür sei aber eine auskömmliche Finanzierung der Krankenhäuser.
Im jetzigen DRG-System sei es so, dass jede Vorhaltung von Leistungen durch das Erbringen von Leistungen finanziert werden müsse. „Daraus ergibt sich dann letztlich der Vorwurf, in den Krankenhäusern würde zu viel operiert.“ Henke plädierte dafür, bedarfsnotwendigen Krankenhäusern Versorgungszuschläge zu zahlen, um Druck aus dem System zu nehmen.
Der gesetzlich bereits existierende Sicherstellungszuschlag finde in der Praxis wegen seiner restriktiven Ausgestaltung aber kaum Anwendung. Das aktuelle DRG-System als 100-prozentiges Preissystem in Verbindung mit einer strikten Deckelung der Preise führe zu einer „Erosion ethischer Grundsätze“ in den Kliniken, warnte Henke.
Krankenhausmitarbeiter leiden fehlenden Investitionsmitteln
Problematisch sei insbesondere auch der Rückzug der Bundesländer aus der Investitionsfinanzierung: „Die Mitarbeiter in den Krankenhäusern leiden jeden Tag darunter, dass die Investitionsmittel nicht ausreichen“, sagte der Vorsitzende der Ärztegewerkschaft. Um notwendige Investitionen zu tätigen, seien die Krankenhäuser gezwungen, Betriebsmittel zu verwenden, die ja eigentlich den Klinikbeschäftigten zu Gute kommen sollten.
Vor diesem Hintergrund plädierte Henke für eine von Bund und Ländern gemeinsam getragene „nationale Kraftanstrengung“ zur ausreichenden Finanzierung der Investitionskosten in den Krankenhäusern. „Krankenhausplanung und Krankenhausfinanzierung müssen aber in staatlicher Verantwortung bleiben.“ Eine Finanzierungsbeteiligung der Krankenkassen sei hingegen abzulehnen, weil eine solche immer mit einer Beteiligung der Kostenträger an der Planungsverantwortung verbunden sei.
Die Finanzierungsverantwortung von der Planungsverantwortung zu entkoppeln, werde nicht funktionieren, meinte hingegen Uwe Deh vom AOK-Bundesverband. Derzeit steuere das System auf eine schleichende Monistik durch die Krankenkassen hin: „Und durch die Schuldenbremse der Länder wird die Finanzierungsbereitschaft der Länder sicher nicht größer.“
Wenn die Kassen die Krankenhäuser aber künftig nahezu alleine finanzierten, müsse daraus auch eine Kompetenzerweiterung resultieren. Deh sprach sich unter anderem dafür aus, für planbare Leistungen, Spielraum für einen Qualitätswettbewerb unter den Krankenhäusern zu schaffen. Das bedeutete dann wohl auch, dass die Kassen für solche elektiven Leistungen selektiv Verträge mit einzelnen Krankenhäusern abschließen könnten.
Substanz in vielen Krankenhäusern gefährdet
„Meine Geduld ist am Ende: Während wir hier seit Jahren theoretische Lösungen diskutieren, werden die Beschäftigten in den Krankenhäusern in Geiselhaft genommen“, sprach Elke Buckisch-Urbanke, Vorsitzende des MB-Landesverbandes Niedersachsen, den Delegierten aus der Seele. Wegen der Unterfinanzierung der Krankenhäuser (Niedersachsen als Flächenland mit einem relativ niedrigem Landesbasisfallwert ist hier besonders betroffen) müssten die Ärzte und Pflegekräfte Notlagentarifverträge oder andere Sonderopfer akzeptieren. „Wenn Ihr nicht zustimmt, geht das Krankenhaus insolvent, heißt es dann“, berichtete Buckisch-Urbanke. Inzwischen sei die Substanz in vielen Krankenhäusern gefährdet.
Nach dem öffentlichen Teil der Hauptversammlung heute, der sich ausschließlich dem Thema Krankenhausfinanzierung widmete, werden sich die Delegierten morgen intensiv mit der Tarifpolitik beschäftigen. Zudem steht turnusgemäß die Wahl des Vorstands auf dem Programm. Sowohl der Erste Vorsitzende Rudolf Henke als auch der Zweite Vorsitzende Andreas Botzlar wollen wieder für ihre Ämter kandidieren.
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