Marburger Bund setzt sich für Ablösung des DRG-Systems ein

Berlin – Der Marburger Bund (MB) hat gefordert, das Krankenhausfinanzierungssystem durch ein neues Vergütungssystem zu ersetzen, das die Kosten der aus ärztlicher Sicht notwendigen Versorgung der Patienten tatsächlich deckt. Dabei „müssen die Bundesländer den Krankenhäusern die nötigen Investitionsmittel vollumfänglich zur Verfügung stellen“, betonten die Delegierten vorgestern auf der 134. Hauptversammlung des MB in Berlin.
Die Ökonomisierung der Gesundheitsversorgung, die in stationären Einrichtungen seit der Einführung des Fallpauschalensystems (DRG) im Jahr 2003 immer stärker fortschreite, gefährde die Gesundheit von Beschäftigten und Patienten. „Die produktivitätsorientierte Vergütung des DRG-Systems lässt keine Zeit für Patienten außerhalb der ärztlichen Kernleistung“, so die MB-Mitglieder. „Sie erhöht zudem kontinuierlich die Anforderungen an die Dokumentation und Arbeitsplatzstruktur des Arztes.“
Das System habe nicht nur zu erhöhtem Arbeits- und Verwaltungsaufwand geführt, der nicht der Patientenversorgung diene und die Beschäftigten im Gesundheitswesen überlaste. Ärzte würden auch täglich aufgefordert, Bettenbelegung unter ökonomischen Gesichtspunkten zu steuern. Zeit für Zuwendungsmedizin gehe verloren.
„Unsere Gesellschaft und die Arbeitgeber, aber auch wir Ärztinnen und Ärzte haben die Pflicht, der durch die fortschreitende Ökonomie bedingten Überlastung der Beschäftigten im Gesundheitswesen aktiv entgegenzuwirken, um den Ärzten wieder mehr Zeit am Patienten zu geben“, betonten die Delegierten.
Ärzte von Verwaltungstätigkeiten entlasten
Zudem forderte die MB-Hauptversammlung die Bundes- und die Landesregierungen sowie die Krankenhausträger auf, Ärzte von Verwaltungstätigkeiten wie Dokumentations-, Codier-, Koordinations- und Organisationsaufgaben zu entlasten.
Den Ergebnissen einer Umfrage des Landesverbands Baden-Württemberg unter seinen Mitgliedern zufolge verbrächten derzeit 22 Prozent der teilnehmenden Ärzte mehr als 40 Prozent ihrer Arbeitszeit mit Verwaltungstätigkeiten. Bei weiteren 60 Prozent der Befragten sind es mehr als 20 Prozent. „Hier muss dringend eine Entlastung erfolgen, die es den Ärzten ermöglicht, sich auf ihre ärztlichen Aufgaben bei der direkten oder unmittelbaren Patientenversorgung zu konzentrieren“, erklärten die Delegierten.
Auch andere Berufsgruppen im Blick behalten
Zudem rief der MB die Politik dazu auf, die Maßnahmen des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes für Pflegekräfte im Krankenhaus auch auf andere Berufe in den Kliniken anzuwenden. In dem Gesetz ist unter anderem vorgesehen, neue Pflegestellen voll zu finanzieren, eine Personalbemessung für die Pflege einzuführen, die sich am Bedarf orientiert, und die Pflegepersonalkosten aus den DRGs auszugliedern.
„In gleicher Weise müssen diese Maßnahmen auch für Ärzte, Ergotherapeuten, Hebammen, Laborkräfte, Logopäden, Physiotherapeuten, Psychologen Sozialarbeiter, Sozialarbeiter und Verwaltungskräfte gelten“, forderten die Delegierten.
Denn ansonsten drohe den Berufen außerhalb der Pflege im Krankenhaus eine weitere erhebliche Verdichtung ihrer Arbeit. Es bestehe das große Risiko, dass Einsparungen, die unter den Bedingungen des 100-Prozent-Ansatzes im DRG-System aus der Pflege erwirtschaftet wurden und zukünftig nicht mehr erwirtschaftet werden sollen, in andere Berufsgruppen verlagert werden und deren Lage verschlechtern.
Einheitliche Standards in der Notfallversorgung
Zudem sprachen sich die MB-Abgeordneten dafür aus, ein bundeseinheitliches und sektorenübergreifendes Instrument zur Ersteinschätzung von Notfällen zu erarbeiten. Ziel sei es dabei, dass im Bereich der Ersteinschätzung überall die gleiche Sprache gesprochen wird. Deshalb seien einheitliche Kriterien zur Feststellung der Behandlungspriorität erforderlich. Zur Anwendung kommen soll dieses System sowohl unter der Bereitschaftsdienstnummer der Kassenärztlichen Vereinigungen 116117, unter der Notrufnummer 112 und am „gemeinsamen Tresen“ in der Notaufnahme.
Das Instrument müsse unabhängig von der es einsetzenden Person oder dem Ort seines Einsatzes zu gleichen Ergebnissen führen, hieß es. Darüber hinaus sollte das Instrument im Rahmen der Delegation ärztlicher Tätigkeiten auch ohne unmittelbare Hinzuziehung des Arztes durch eine entsprechend qualifizierte Person eines Gesundheitsfachberufs angewendet werden können.
Eintreten für Anstand und Toleranz
Zudem betonten die Delegierten des Marburger Bundes, dass der Verband für „Anstand gegenüber jeder und jedem, für Toleranz und Offenheit gegenüber anderen Meinungen und eine Gesellschaft, in der die Menschenwürde zu allen Zeiten und an jedem Ort unantastbar bleibt“, eintrete.
„Mit großer Besorgnis stellen wir fest, dass von einem wachsenden Teil der Gesellschaft Werte und Charakter einer Solidargemeinschaft und selbst unser Grundgesetz infrage gestellt werden“, erklärten die Delegierten. „Die Menschenwürde zu achten und zu schützen, ist jedoch die Verpflichtung aller!“ Gewerkschaften seien ein wichtiger Teil der Gesellschaft und somit auch in der Pflicht für verantwortungsvolles Handeln in der Demokratie.
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