Mehr Ärzte und trotzdem Personalnot in Thüringer Kliniken

Erfurt – Krankenhäuser und Patienten müssen sich nach Einschätzung der Landeskrankenhausgesellschaft Thüringen dauerhaft auf einen Mangel an Ärzten und Pflegekräften einstellen. Über Gründe und Schlussfolgerungen gehen die Meinungen auseinander.
„Es wird nicht wieder wie früher“, sagte die Vorstandsvorsitzende der Landeskrankenhausgesellschaft, Gundula Werner, in Erfurt. Nicht nur, dass es weniger Menschen gebe, die zu medizinischem Personal ausgebildet werden könnten und es an Medizinstudienplätzen fehle.
Immer mehr Ärzte würden auch ihren Arbeitsalltag besser mit ihrem Freizeit- und Familienleben vereinbaren wollen. Das führe dazu, dass besonders junge Ärzte heute häufig in Teilzeit arbeiteten, was den Personalmangel weiter verschärfe.
Ein Weg im Umgang mit der Personalnot sei, mehr Leistungen der Krankenhäuser nicht wie bisher stationär, sondern ambulant anzubieten, sagte Werner. Beispielsweise könnten noch mehr gynäkologische oder urologische Operationen ambulant durchgeführt werden. Auch sei es möglich, noch mehr Herzkatheteruntersuchung ambulant zu machen.
Die Erste Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen, Annette Rommel, kritisierte die Überlegungen von Werner scharf. Die Landeskrankenhausgesellschaft wolle offenbar, dass die niedergelassenen Ärzte nur noch „den Kehraus“ im Gesundheitswesen machten, sagte Rommel.
Ihr sei nicht klar, wie in den Krankenhäusern angesichts des Personalmangels gleichzeitig mehr ambulante Leistungen angeboten werden sollten und diese auch einen immer größeren Teil der Notfallversorgung übernehmen wollten.
Würden Krankenhäuser vermehrt ambulante Leistungen anbieten, werde sich daraus eine zunehmende Konkurrenzsituation zwischen niedergelassenen Ärzten und ihren Kollegen in den Kliniken ergeben, argumentierte Rommel. Die Ambulantisierung von Krankenhausleistungen sei „keine Einbahnstraße“. Solch eine Konkurrenz könne allerdings auch zum Vorteil der Patienten ausfallen, da sie zu mehr Qualität bei der Behandlung führen könne.
Nach Angaben der Landesärztekammer ist die Zahl der Ärztinnen und Ärzte an den Thüringer Krankenhäusern in den vergangenen Jahren gestiegen. Verglichen mit 2013 gebe es heute etwa 420 Ärzte mehr an den Krankenhäusern, sagte deren Präsidentin Ellen Lundershausen. Die Gesamtzahl der Ärztinnen und Ärzte im Freistaat – also Klinikärzte und niedergelassene Mediziner – sei in diesem Zeitraum von etwa 8.900 auf rund 9.700 gestiegen.
Da viele Ärzte aber inzwischen nicht mehr in Vollzeit arbeiteten, stünde damit effektiv nicht auch mehr medizinisches Personal zur Behandlung von Patienten zur Verfügung. Um eine Vollzeitstelle zu besetzen, brauche es in Thüringen rechnerisch derzeit 1,2 Köpfe, sagte Lundershausen.
Auch Lundershausen geht davon aus, dass der personelle Notstand im Gesundheitswesen in den nächsten Jahren eher zu – als abnimmt. „Die Hälfte der Thüringer Ärzte ist über 54.“ Diese würden also in etwa zehn Jahren in den Ruhestand gehen. Das werde die medizinische Versorgung im Freistaat vor große Herausforderungen stellen.
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