Mehr Coronafälle: Warnungen vor Problemen in Gesundheitsämtern

Berlin – Angesichts wieder steigender Infektionszahlen von SARS-CoV-2 in einigen Regionen Deutschlands warnen Experten vor Problemen bei der Spurensuche durch die Gesundheitsämter vor Ort.
„Für eine zweite Pandemiewelle sind die Gesundheitsämter viel zu knapp besetzt“, sagte die Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD), Ute Teichert, den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Mit den steigenden Infektionszahlen rollt ein riesiges Problem auf uns zu.“
Die mehr als 400 deutschen Gesundheitsämter könnten nicht warten, bis die geplanten Maßnahmen der Bundesregierung zur Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes in Kraft träten, sagte Teichert. Nötig sei eine kurzfristige Lösung. Die Gesundheitsämter müssten im Notfall Verstärkung bekommen.
Der Bund hatte Unterstützung für die bundesweit 375 Gesundheitsämter zugesagt. Unter anderem sollen sie 50 Millionen Euro vor allem für eine bessere digitale Ausstattung bekommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat für August zudem ein Spitzengespräch zur Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes angekündigt, an dem unter anderem Landräte und Oberbürgermeister teilnehmen sollen.
Die Verbandsvorsitzende Teichert schlug zur schnellen Unterstützung der Gesundheitsämter ein bundesweites Freiwilligenregister vor. Dieses solle „eine Art Jobbörse“ sein, die im Ernstfall Mitarbeiter vermittle. Die freiwilligen Helfer müssten aber bereits geschult sein und sich „im Thema auskennen“.
Dies könnten Studierende sein, die schon in der ersten Pandemiewelle für den Einsatz gegen das Virus ausgebildet worden seien, aber etwa auch Beschäftigte aus anderen Bereichen des Gesundheitswesens.
Auf „Superspreader“ konzentrieren
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach regte eine stärkere Konzentration beim Verfolgen von Infektionsketten an. Er kritisierte das bisherige Vorgehen der Ämter als „völlig ineffizient“. Es werde riesiger Aufwand mit massivem Personaleinsatz betrieben, sagte er dem Spiegel.
Statt jedem Einzelkontakt nachzutelefonieren, sollten sich die Ämter allein auf „Superspreader“ konzentrieren. Damit gemeint sind hochansteckende Infizierte, die bei Treffen bestimmter Gruppen oft zahlreiche Teilnehmer anstecken.
Daher sollte bei jedem Coronatest abgefragt werden, ob die Person bei einem solchen Event war. Sollte der Test positiv ausfallen, müssten alle anderen Teilnehmer der Veranstaltung in Quarantäne geschickt werden, bevor sie selbst getestet wurden.
Lauterbach forderte zudem harte Strafen bei Versammlungen, die nicht den Coronaregeln entsprechen. „Wer an Feiern teilnimmt und keinen Abstand hält, wie bei der großen Party neulich in der Berliner Hasenheide, muss mit dreistelligen Bußgeldern belegt werden, die auch wirklich erhoben werden“, sagte er dem Spiegel.
RKI-Präsident Lothar Wieler hatte erst vor wenigen Tagen die wieder steigenden Zahlen als „sehr beunruhigend“ bezeichnet. Er kritisierte, Menschen und Unternehmen seien „nachlässig“ geworden. Es bestehe die Gefahr einer unkontrollierten Ausbreitung.
Das Robert-Koch-Institut (RKI) hatte vorgestern die Zahl der binnen eines Tages neu verzeichneten Coronainfektionen in Deutschland mit 902 angegeben. Das ist die höchste Zahl seit Wochen. Auch gestern lag die Zahl hoch: bei 870 neuen Fällen.
Seit Beginn der Coronakrise haben sich somit mindestens 208.698 Menschen hierzulande nachweislich mit dem Virus SARS-CoV-2 infiziert, wie das RKI heute morgen meldete (Datenstand 31.7., 0.00 Uhr).
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