Politik

Mehr Flüchtlinge erhalten Gesundheitskarte

  • Montag, 23. Januar 2017

Erfurt – Mehr Flüchtlinge erhalten in Deutschland seit Jahresbeginn eine elektronische Gesundheitskarte. Der Streit um die Kosten ist für die Kommunen nach wie ein wichtiger Aspekt in der Debatte.

In Thüringen verfügen viele Asylbewerber inzwischen über eine elektronische Ge­sund­heitskarte für den Arztbesuch. Allein die Krankenkasse AOK Plus hat nach eige­nen An­gaben bislang mehr als 1.500 Karten ausgegeben. Die AOK ist in zehn Landkrei­sen und kreisfreien Städten für die Abrechnung medizinischer Behandlungsleistungen von Flücht­lingen beim Land zuständig.

Landesweit übernehmen insgesamt sechs Krankenkassen diese Abrech­nung. Thürin­gen hatte die Gesundheitskarte für Asylbewerber zu Jahresbeginn einge­führt. Damit können diese zum Arzt gehen, ohne die Behandlung vorher bei den Sozial­ämtern beantragen zu müssen. Die Karte gilt für Geflüchtete während ihres Asylverfahrens und für Menschen mit einer Duldung.

Thüringens Ärzte hatten die Karte vor allem wegen des für sie bislang hohen Abrech­nungs­aufwandes gefordert. Asylbewerber haben in der Regel nur Anspruch auf Notfall­be­handlungen, ihr Leistungsanspruch ist mit Einführung der Gesundheitskarte nicht aus­gedehnt worden.

Neben der AOK Plus sind in Thüringen auch die DAK, die IKK classic, die Knappschaft und zwei Betriebskrankenkassen für die Abrechnung zuständig. Um die Anmeldung der Flüchtlinge bei den Krankenkassen müssen sich die Kommunen kümmern.

Die Kommunen in Deutschland stehen der Gesundheitskarte für Flüchtlinge zum Teil kritisch gegenüber. Der Grund: Sie befürchten höhere Kosten. In Bremen und Hamburg, wo es ein derartiges System schon längere Zeit gibt, werden allerdings keine höheren Ausgaben festgestellt. „Wir können in Bremen sagen, dass wir gute Erfahrungen damit gemacht haben, aus Sicht der Flüchtlinge wie der der Verwaltung. Bei den Kosten liegen wir im Durchschnitt“, sagte der Sprecher der Senatorin für Soziales in Bremen, Bernd Schneider.

Beispiel Niedersachsen: Dort hat die Stadt Delmenhorst als erste Kommune in dem Bun­desland zum 1. Januar 2017 eine elektronische Gesundheitskarte für Flüchtlinge ein­ge­führt. In Delmenhorst kooperiert die Stadt bei der Gesundheitskarte mit der Barmer. Die Landeshauptstadt Hannover denkt über die Einführung der Versichertenkar­te nach, die seit April 2016 für Flüchtlinge verwendet werden kann. Eine neue Regelung würde aber wegen der rückläufigen Flüchtlingszahlen nur noch für einige hundert Be­troffene gelten, sagte ein Stadtsprecher. Der Landkreis Hildesheim hat einen anderen Weg gewählt und ein eigenes Modell entwickelt. Asylsuchende erhalten dort eine persönliche nicht-elektro­nische Gesundheitskarte, die bei Ärzten im Landkreis genutzt werden kann.

Bisher müssen Flüchtlinge in den ersten 15 Monaten ihres Aufenthalts in Deutschland meist einen Behandlungsschein bei der Kommune holen, bevor sie zum Arzt gehen kön­n­en. Hätten sie eine elektronische Gesundheitskarte, würde dieser Behördengang weg­fallen.

„Die Hürde, zum Arzt zu gehen, wird für die Flüchtlinge dadurch reduziert“, sagte Daniel Lüchow vom Netzwerk Medinetz in Hannover, das Menschen ohne Papiere medi­zinische Versorgung vermittelt. Außerdem beurteile dann ein Mediziner und nicht ein Ver­waltungs­beamter, welche Behandlung richtig sei. „Geflüchteten werden mit dem bisheri­gen kom­pli­zierten System unnötig Steine in den Weg gelegt. Die Karte wäre ein wichtiger Schritt für einen diskriminierungsfreien Zugang zur Gesundheitsversorgung“, sagte Lüchow.

Der niedersächsische Städtetag sieht den mit den Kassen vereinbarten Verwaltungskos­tenanteil von acht Prozent als zu hoch an. „Wir weisen auf die Kosten hin, die nicht uner­heblich sind, aber jede Kommune muss das selbst für sich entscheiden“, erklärte der Re­feratsleiter Soziales beim niedersächsischen Städtetag, Ulrich Mahner.

dpa/may

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