Mehr Referenzpathologien bei seltenen Erkrankungen notwendig

Leipzig – Ohne grundlegende personelle, strukturelle und gesundheitspolitische Veränderungen sind in Deutschland in wenigen Jahren gravierende Versorgungslücken in der pathologischen Diagnostik zu erwarten, hieß es auf einer Pressekonferenz, die im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Pathologie (DGP) stattfand. So fehlt es beispielsweise an Referenzpathologien bei seltenen Erkrankungen – mit unter Umständen erheblichen Auswirkungen auf die Therapie.
Mit einer gewissen Sorge betrachtete Philipp Ströbel, Direktor des Instituts für Pathologie der Universitätsmedizin Göttingen, die Entwicklung der Pathologie in Deutschland. Er wies darauf hin, dass Pathologen für die Diagnose von vielen Erkrankungen wie Krebserkrankungen von fundamentaler Bedeutung und damit auch für die Behandlung essenziell sind. Selbst „vermeintlich kleine Abweichungen können heute bei der sehr verfeinerten Therapie, die wir haben, fundamentale Konsequenzen für die Therapie einer Erkrankung haben.“
Derzeit stünden hierzulande etwa 1.700 Pathologinnen und Pathologen zur Verfügung, so der DGP-Tagungspräsident weiter. Demnach würde auf ungefähr 48.000 Menschen eine Pathologin oder ein Pathologe kommen. In der Radiologie liege das Verhältnis bei circa 1:8.500.
Ein weiteres Problem sei die Spezialisierung. „Für die Vielzahl an Erkrankungen mit ihren Untergruppen und Subtypen, die alle eine sichere pathologische Diagnose erfordern, gibt es in Deutschland schlichtweg zu wenig Expertinnen und Experten und wenig Nachwuchs.“
Das wird am Beispiel der Sarkome deutlich. Dabei handelt es sich um eine seltene Erkrankung, in Deutschland erkrankten jährlich etwa 4.800 Menschen, betonte Eva Wardelmann, Direktorin des Gerhard-Domagk-Instituts für Pathologie des Universitätsklinikums Münster. Die meisten Pathologen würden daher nur gelegentlich damit in Berührung kommen.
Dabei erfordere die Diagnose dieser Tumoren hohes Spezialwissen, allein bei den Weichgewebs- und Knochentumoren gebe es mehr als 100 Subtypen, führte die stellvertretende Vorsitzende der DGP aus. Ohne Expertise falle eine korrekte Diagnose schwer. Aber: „Zu der richtigen Behandlung kann nur die richtige Diagnose führen.“
„Weniger als die Hälfte dieser Erkrankungen wird in spezialisierten, zertifizierten Sarkomzentren behandelt“, sagte Wardelmann, die Konsiliarpathologin für Knochen- und Weichgewebstumoren ist. Noch weniger Fälle würden referenzpathologisch abgesichert. „Dabei führen solche Zweitmeinungen in bis zu 30 Prozent der Fälle zu einer Diagnoseänderung – mitunter lebensentscheidend für die Betroffenen.“
Die Expertin forderte eine adäquate Vergütung der immer komplexeren pathologischen Diagnostik sowie Wertschätzung und Förderung der Referenzpathologie. Zudem sei eine gezielte Nachwuchsakquise mit strukturierter Weiterbildung notwendig. Und „wenn wir uns spezialisieren wollen, und das müssen wir, müssen wir das mit einem entsprechenden Personalaufbau begleiten.“
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