Mehrere Verbände beenden Mitgliedschaft in der Plattform Ernährung und Bewegung

Berlin – Gleich drei Verbände verkündeten heute in Berlin ihren Ausstieg aus der Plattform Ernährung und Bewegung (PEB). Zu groß war die Differenz der Interessen, die Verbände und Industrie im Netzwerk vertraten. Die gemeinsame Initiative von Politik, Verbänden und Wirtschaft, wozu unter anderem Ferrero, Nestlé und Coca Cola zählen, widmet sich seit 2004 dem Thema Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen.
Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) und die Deutsche Adipositasgesellschaft (DAG) haben sich gemeinsam dazu entschieden, ihre Mitgliedschaft zu beenden. „Wir wollen kein Feigenblatt sein für ein Agreement von Leuten, die sehr unterschiedliche Interessen verfolgen“, sagte Thomas Fischbach, Präsident des BVKJ. Als Beispiel nannte er das gescheiterte Thema der Selbstverpflichtung. Wirtschaftliche Interessen würden verständlicherweise überwiegen. „Aber wir können nicht darauf vertrauen, dass diejenigen die Lösung bieten, die das Problem machen“, ist der Kinderarzt überzeugt.
Bisherige Bemühungen des Netzwerks hätten nicht zum Erfolg in Sachen Übergewicht bei Kindern geführt, sind sich die drei Verbände einig: „Die dramatische Zunahme der deutlich schlechteren Gesundheits- und Lebenschancen für Kinder aus Familien mit niedrigem Einkommens- oder Bildungsstand ist nicht akzeptabel“, so Fischbach weiter. Zwar wurde ein weiterer Anstieg von Adipositas bei Kindern gestoppt, sagte Berthold Koletzko, Vorsitzender der DGKJ-Ernährungskommission und PEB-Vorstandsmitglied und verweist auf die aktuellen KiGGS-Daten. „Gleichzeitig hat der mittlere Unterschied der Adipositasprävalenz bei hohem im Vergleich zu niedrigem sozioökonomischem Status zugenommen.“
Den verfehlten Erfolg des Netzwerks begründen die Verbände zudem mit der mangelnden Diskussionsbereitschaft: „Eine gemeinsame und offene Diskussion über kontroverse Fragen war innerhalb der Plattform nicht gewünscht“, kritisierte Koletzko. Die große Mehrzahl der PEB-Mitglieder komme aus der Lebensmittelwirtschaft und blockiere die Diskussion über die notwendige Reduktion der Energiedichte und den hohen Gehalten an Zucker, gesättigtem Fett und Salz in verarbeiteten Lebensmitteln und Getränken oder eine klare und verbraucherfreundliche Auszeichnung gesünderer Lebensmittel, teilen DGKJ, BVKJ und DAG mit. Stattdessen betone PEB die Bedeutung der Bewegung, psychosozialer und anderer Einflussfaktoren auf kindliches Übergewicht.
An PEB kritisieren die drei Verbände darüber hinaus, dass die Balance zwischen Ernährung und Bewegung zugunsten der Bewegung ausgefallen sei. „Dieses Ungleichgewicht hat sicher etwas mit den PEB-Mitgliedern aus der Lebensmittelindustrie zu tun. Sie haben in der Vergangenheit dafür Sorge getragen, dass das Thema Ernährung nicht mehr im Fokus stand“, sagte Fischbach.
Dem widerspricht der PEB-Geschäftsführer Mirko Eichner deutlich: „Anhand von Pressemeldungen und Projekten können wir eindeutig belegen, dass die Balance zwischen Ernährung und Bewegung weiterhin besteht. Aus der Sportwissenschaft bekommen wir die Rückmeldung, dass wir zu viel Ernährungsthemen bearbeiten würden.“ Er sieht das Problem in einer „verzerrten Wahrnehmung“ der Beteiligten. Zudem wäre in der Satzung nicht verankert, dass PEB ein Ort für Beschlüsse zu Themen wie Selbstverpflichtung oder Werbeverboten sei. „Das war allen Mitgliedern bekannt“, sagte Eichner.
Für ein vorzeitiges Ende der Mitgliedschaft im Netzwerk PEB hatten sich auch bereits die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) sowie der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen entschieden. Sie alle hätten ähnliche Gesichtspunkte diskutiert, berichtete Koletzko. Andere Fachgesellschaften wie die Deutsche Diabetes-Gesellschaft (DDG) haben sich von Anfang an dazu entschieden, kein Mitglied von PEB zu werden. Der ehemalige DDG-Geschäftsführer Dietrich Garlichs erklärte nicht nur PEB, sondern auch andere Initiativen wie beispielsweise In Form als nicht nachhaltig.
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