Mentale Gesundheit von Jugendlichen in der Ukraine stark gefährdet

Tokio – Die psychischen Belastungen von jugendlichen Menschen in der Ukraine sind aufgrund der Kriegsgeschehnisse enorm hoch. Die Belastungen betreffen vor allem Depressionen, Angststörungen, Traumata, Essstörungen und Substanzmissbrauch. Es wären dringend Maßnahmen zur Linderung der psychischen Belastung ukrainischer Jugendlicher erforderlich (JAMA Pediatrics 2024; DOI: 10.1001/jamapediatrics.2024.0295).
Aufgrund der traumatischen Erlebnisse und des eingeschränkten Zugangs zur psychiatrischen Versorgung sind Jugendliche in der Ukraine während der russischen Invasion seit Februar 2022 einem hohen Risiko für psychiatrische Erkrankungen ausgesetzt.
Erste Analysen aus dem Jahr 2023 zu den mentalen Folgen des anhaltenden Krieges in der Ukraine kamen zum dem Ergebnis, dass etwa 70 % der ukrainischen Zivilisten eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) entwickelt haben (Journal of Community Health, 2023; DOI: 10.1007/s10900-023-01225-5).
Die Folgen für die psychische Gesundheit von Jugendlichen in der Ukraine wurden bisher kaum beachtet. Daher analysierten japanische und ukrainische Wissenschaftler, welche Auswirkungen der Krieg bisher auf Heranwachsende hat.
Es wurden 8.096 ukrainische Jugendliche ab 15 Jahre (61,6 % weiblich), die in der Ukraine oder aufgrund des Krieges im Ausland leben, anhand von Fragebögen mit Selbstauskünften auf verschiedene psychiatrische Erkrankungen gescreent. Etwa die Hälfte der Befragten war dem Kriegsgeschehen direkt ausgesetzt (49,6 %).
In dieser Querschnittsstudie wiesen 32,0 % eine mittelschwere oder schwere Depression auf, 17,9 % mittelschwere oder schwere Angstzustände, 35,0 % ein klinisch relevantes psychologisches Trauma, 29,5 % eine Essstörung und 20,5 % ein mittleres oder höheres Risiko für Drogenkonsum.
In der Kohorte von Jugendlichen, die direkt dem Krieg ausgesetzt waren, war die Wahrscheinlichkeit für ein positives Screeningergebnis der untersuchten psychiatrischen Erkrankungen am höchsten. Die Studienautoren heben hervor, dass die Belastung durch psychiatrische Symptome bei den im Ausland lebenden ukrainischen Jugendlichen ähnlich stark ausgeprägt war.
Diese Analyse bestätigt, dass von Konflikten betroffene Bevölkerungsgruppen eine hohe Prävalenz an psychischen Störungen aufweisen. Gemäß einer Metaanalyse aus dem Jahr 2019 wurde die Prävalenz psychischer Störungen (Depression, Angst, bipolare Störung, PTBS und Schizophrenie) in den vom Krieg betroffenen Bevölkerungsgruppen auf 22,1 % geschätzt (The Lancet, 2019; DOI: 10.1016/S0140-6736(19)30934-1).
Demgegenüber beträgt die globale Prävalenz psychischer Störungen etwa 12 % (The Lancet Psychiatry, 2022; DOI: 10.1016/S2215-0366(21)00395-3).
Die Prävalenz für eine psychiatrische Erkrankung bei Jugendlichen war in dieser Arbeit tendenziell noch höher und zwar nicht nur in den Regionen mit den größten Kriegsschäden, sondern im ganzen Land. Die Autoren geben allerdings auch zu bedenken, dass schon vor dem Krieg in der Ukraine ein erheblicher Bedarf an psychologischer Hilfe bestand und im Vergleich zu anderen Gebieten Osteuropas am höchsten war.
Dennoch deutet diese Arbeit im Vergleich zu bisher publizierten Arbeiten auf eine viel größere mentale Belastung vor allem für Jugendliche hin. Jugendliche könnten besonders anfällig für psychologische Traumata sein. Ähnliche Erkenntnisse gingen aus einer Arbeit zu den jüngeren Überlebenden der Atombombe in Japan hervor (Epidemiology and Psychiatric Sciences, 2021; DOI: 10.1017/S204579602100024X).
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