Meta-Analyse: Grippeimpfung könnte vor Herzinfarkt und Schlaganfall schützen

Toronto – Eine Grippeimpfung schützt möglicherweise nicht nur vor den pulmonalen Komplikationen einer Influenza. Laut den Ergebnissen einer Meta-Analyse im US-amerikanischen Ärzteblatt (JAMA 2013; 310: 1711-1720) könnte bei kardialen Risikopatienten auch die Rate von kardiovaskulären Ereignissen wie Herzinfarkten und Schlaganfällen gesenkt werden.
Auf eine kardiovaskulär-präventive Wirkung der Grippeimpfung hatte in den letzten Jahren eine Reihe von Beobachtungsstudien hingedeutet, schreibt das Team um den Kardiologen Jacob Udell vom Women's College Hospital der Universität Toronto. Ein Beleg durch randomisierte klinische Studien fehlt jedoch. Udell konnte in einer Literaturrecherche fünf publizierte und eine nicht publizierte Studie ausfindig machen, von denen zwei nicht placebo-kontrolliert waren. Vier Studien hatten kardiale Risikopatienten (Koronare Herzkrankheit oder Herzinfarkt in der Vorgeschichte) eingeschlossen, die anderen beiden hatten die Verträglichkeit von neuen Impfstoffen untersucht.
Wie Udell berichtet, kam es in den fünf publizierten Studien während einer Nachbeobachtungszeit von bis zu einem Jahr bei 95 von 3.238 geimpften Teilnehmern (2,9 Prozent) zu schweren kardiovaskulären Ereignissen (Tod, Hospitalisierung, Herzinfarkt, instabile Angina, Schlaganfall, Herzinsuffizienz oder dringende koronare Revaskularisierung).
In der Kontrollgruppe traten diese Ereignisse dagegen bei 151 von 3.231 Teilnehmern (4,7 Prozent) auf. Dies ergibt eine relative Risikominderung durch die Impfung um 36 Prozent (RR 0,64; 95-Prozent-Konfidenzintervall 0,48-0,86). Das absolute Risiko wurde um 1,74 Prozent (0,81-2,67) gesenkt, und die Number Needed to Treat (NNT) betrug 58 (38-124) Menschen, die geimpft werden müssten, um im Verlauf von einem Jahr ein schweres kardiovaskuläres Ereignis zu verhindern.
Für Patienten mit einem akuten koronaren Syndrom (ACS) in der Vorgeschichte, wurde das Risiko auf ein schweres kardiovaskuläres Ereignis sogar halbiert (RR 0,45; 0,32-0,63), während bei Teilnehmern ohne ACS kein Vorteil erkennbar war.
Die Ergebnisse waren signifikant und der Zusatznutzen der Grippeimpfung wäre angesichts der niedrigen NNT auch klinisch relevant. Die Editorialistin Kathleen Neuzil von der internationalen Nonprofit-Organisation PATH aus Seattle hält die Wirkung auch für biologisch plausibel und durch tierexperimentelle Modelle bestätigt.
Dennoch dürfte die Studie nicht alle Experten überzeugen. Dies liegt zum einen an der insgesamt geringen Rate von kardiovaskulären Ereignissen: Unter den mehr als 6.400 Teilnehmern kam es zu 246 schweren kardiovaskulären Ereignissen und zu 97 kardiovaskulären Todesfällen. Auch die Qualität der einbezogenen Studien ist nicht über alle Zweifel erhaben. Schon auf dem Canadian Cardiovascular Congress in Toronto, wo Udell im Oktober letzten Jahres erste Ergebnisse seiner Analyse vorstellte, wurden die Ergebnisse eher als „Hypothese-generierend“, denn als definitiver Beweis gedeutet.
Auf dem Kongress wurde eine weitere Studie vorgestellt, die für eine kardiovaskulär protektive Wirkung spricht. Ramanan Kumareswaran vom Sunnybrook Health Sciences Centre in Toronto hatte die Protokolle von 229 Patienten mit implantierbaren Kardioverter-Defibrillatoren (ICD) ausgewertet, von denen einige an der Grippeimpfung teilgenommen hatten. Bei den Geimpften war es in der Folge seltener zu ICD-Entladungen gekommen. Der Unterschied (10,6 versus 13,7 Prozent) war allerdings nicht signifikant (Canadian Journal of Cardiology 2012; 28: S146-S147).
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