Vermischtes

Migrationspolitik: Mehrheit sieht Reformpläne kritisch

  • Freitag, 10. März 2023
/Jo Panuwat D, stock.adobe.com
/Jo Panuwat D, stock.adobe.com

Berlin – Nach der Einführung des Chancenaufenthaltsrechts bereitet sich die Ampelkoalition jetzt auf ihre nächsten Reformschritte zur Migrationspolitik vor. Bei der Mehrheit der Deutschen stoßen die Pläne des Bundesinnenministeriums für eine erleichterte Einbürgerung allerdings auf wenig Begeisterung. Das zeigen die Ergebnisse einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur.

Kern der Pläne von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) ist eine Verkürzung der Mindestaufenthaltszeit von acht auf fünf Jahre. Bei besonderen Integrationsleistungen sollen drei Jahre genügen. Außerdem soll die doppelte Staatsbürgerschaft auch für Nicht-EU-Bürger, die Deutsche werden wollen, grundsätzlich erlaubt sein.

59 Prozent der befragten Bürger lehnen laut Umfrage den Entwurf für eine Reform des Staatsangehörigkeits­rechts ab. Dabei erklärten 37 Prozent von ihnen, sie lehnten das Vorhaben „voll und ganz“ ab, 22 Prozent äu­ßerten sich eher ablehnend. Nur neun Prozent der Befragten befürworteten den Entwurf voll und ganz, wei­tere 22 Prozent äußerten sich eher positiv. Jeder Zehnte hatte zu der Frage entweder keine Meinung oder machte keine Angaben.

Deutsche mit Migrationshintergrund bewerten die geplanten Änderungen laut Umfrage etwas positiver als Menschen ohne familiäre Einwanderungsgeschichte. Die Tendenz ist jedoch bei beiden Gruppen ähnlich. Im Osten Deutschlands ist die Ablehnung für eine schnellere Einbürgerung etwas stärker als im Westen. Von den befragten Anhängern der Ampelparteien befürworteten einzig diejenigen, die angaben, bei der letzten Bun­destagswahl die Grünen gewählt zu haben, mehrheitlich den Vorschlag der Innenministerin.

Zu dem Vorhaben gibt es zwischen den Regierungsparteien noch Diskussionen. Während die Grünen im Gro­ßen und Ganzen hinter den Plänen der Bundesinnenministerin stehen, hat die FDP Nachbesserungen gefor­dert. Weniger umstritten zwischen den Ampelpartnern ist die geplante Reform des Fachkräfte­einwande­rungsgesetz, die in den kommenden Wochen vom Kabinett beschlossen werden dürfte.

Allerdings führt die Mehrheit der Bürger den aktuellen Mangel an Arbeitskräften in bestimmten Branchen zuvorderst nicht auf zu hohe Hürden bei der Erteilung von Arbeitsvisa zurück, sondern auf niedrige Löhne und unattraktive Arbeitsbedingungen.

Nach den wesentlichen Gründen für die Schwierigkeiten bei der Suche nach Pflegepersonal, Lehrkräften, Handwerkern, IT-Fachleuten und anderen Arbeitskräften gefragt, nannten 63 Prozent der Teilnehmer der Um­frage „schlechte Bezahlung“.

Jeweils rund ein Viertel der Bürger sieht ein nicht ausreichendes Betreuungsangebot in Kitas und Schulen, beziehungsweise den Mangel an jungen Erwerbsfähigen – als Folge des demografischen Wandels – als Ur­sache. Dass hohe bürokratische und rechtliche Hürden für Fachkräfte aus dem Ausland eine Schwierigkeit sind, vermuten etwa 30 Prozent.

Auf die von YouGov gestellte Frage, was aus ihrer Sicht die wichtigste Maßnahme sei, um den Arbeits­kräfte­mangel in Deutschland zu beheben, wurden höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen am häufigsten genannt (38 Prozent). Auf Platz Zwei landete die Antwortvariante „Die Jobcenter sollten sich besser um die Fortbildung und Vermittlung von Arbeitslosen kümmern“ (14 Prozent).

Jeweils jeder Zehnte sprach sich dafür aus, das Renteneinstiegsalter zu erhöhen, die Einwanderung zu Er­werbs­zwecken nach Deutschland unkomplizierter zu machen, ältere Arbeitskräfte mit mehr Wertschätzung länger im Job zu halten sowie Ausbildungsstellen attraktiver zu gestalten.

Die FDP-Innenpolitikerin Ann-Veruschka Jurisch hört von den Bürgern in ihrem Wahlkreis Konstanz nach eigener Aussage, „dass es ihnen zum einen wichtig ist, nur Menschen einzubürgern, die sich wirtschaftlich selbst tragen können und zum anderen Menschen, die sich bei uns integrieren“. Diese Haltung vertrete auch ihre Partei.

Für die Hauptursache des Arbeitskräftemangels hält Jurisch den demografischen Wendel. „Mit dem Fach­kräfteeinwanderungsgesetz wollen wir die Hürden für ausländische Arbeitskräfte nun absenken, um dem entgegenzuwirken.“ Dass Deutschland von Fachkräften nicht immer als attraktives Zielland wahrgenommen werde, liege aber auch an der hohen Abgabenlast und der mangelnden Digitalisierung.

Die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Andrea Lindholz (CSU), hält das geplante Update für das noch von Schwarz-Rot beschlossene Gesetz zur Fachkräfteeinwanderung dagegen für überflüssig. Sie meint, die Ampelregierung hätte besser daran getan, „die neuen Regelungen mit Werbemaßnahmen und ausreichend Personal in den Auslandsvertretungen erst einmal richtig zur Anwendung zu bringen.“

Stattdessen wolle die Ampel „künftig in erheblichem Umfang auch Unqualifizierte nach Deutschland holen“. Das sei angesichts der vielen Arbeitslosen und der im Vergleich überschaubaren Zahl offener Stellen in diesem Segment des Arbeitsmarktes der falsche Weg.

Bei der Einbürgerung sieht Lindholz keinen Grund für Erleichterungen, sondern plädiert sogar dafür, die Hür­den punktuell leicht anzuheben, etwa mit erhöhten Anforderungen an die Erwerbstätigkeit der Antragsteller. Die Ampelparteien behaupteten, das Staatsangehörigkeitsrecht „moderner“ machen zu wollen, sagte die CSU-Politikerin, „aber wer sagt eigentlich, dass eine schnellere und leichtere Einbürgerung automatisch moderner ist?“

dpa

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung