Ministerium: „Pflegebedarf kann nur mit Zuwanderung gedeckt werden“

Berlin – Die Lücke zwischen der Zahl der Pflegebedürftigen und der Zahl der informell Pflegenden wird in den kommenden Jahrzehnten immer größer werden. Das hat Johannes Geyer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) auf dem 15. Contec-Forum in Berlin erklärt.
Im Unterschied zur professionellen Pflege wird die informelle Pflege durch eine direkte Bezugsperson vorgenommen, die keine pflegerische Ausbildung hat. „Die Lücke, die hier entsteht, ist eine der größten Zukunftsherausforderungen für das gesamte Pflegesystem“, sagte Geyer. Dabei seien auch die Auswirkungen der informellen Pflege auf die Wirtschaft zu berücksichtigen. Denn viele informell Pflegende reduzierten ihre Arbeitszeit, um pflegen zu können.
Die Zahl der professionell wie informell Pflegenden reiche nicht aus, um den Bedarf zu decken, sagte auch Harald Kuhne, Ministerialdirektor und Leiter der Zentralabteilung beim Bundeswirtschaftsministerium (BMWi). Ohne eine Zuwanderung könne der Bedarf nicht gedeckt werden. Vor diesem Hintergrund könne sich Deutschland den „Luxus der Fremdenfeindlichkeit“ nicht leisten. Kuhne nannte das Beispiel Ungarn, wo mittlerweile die ökonomischen Folgen einer Politik zu sehen seien, die keine Ausländer mehr ins Land lasse.
Zusammenarbeit der Professionen neu justieren
„Überall in der westlichen Gesellschaft ist der Pflegemangel ein Problem“, sagte Kuhne. Und es gebe wenige staatliche Strategien, um es zu lösen. Deutschland habe in den Jahren 2012 bis 2016 gute Erfahrungen mit einem Pilotprojekt des BMWi gemacht, bei dem rund 200 Frauen und Männer aus Vietnam eine Ausbildung zur Altenpflegekraft in Deutschland gemacht hätten.
Heute seien 75 Prozent dieser Pflegekräfte noch in derselben Einrichtung tätig. Und alle befragten Träger seien sowohl mit der schulischen als auch mit der praktischen Leistung der Pflegekräfte zufrieden bis sehr zufrieden.
Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, betonte, dass die Arbeitsbedingungen in der Pflege wieder besser werden müssten, um zum Beispiel Pflegekräfte zurückzuholen, die ihren Beruf aufgrund der schlechten Rahmenbedingungen verlassen haben. „Wir müssen uns Gedanken darüber machen, wie die Zusammenarbeit der Professionen in Zukunft aussieht“, sagte Westerfellhaus. „Wir haben die Absicht, die Zusammenarbeit neu zu justieren.“
Zudem forderte er die Einführung von flächendeckenden Tarifverträgen in der Pflege sowie von neuen Arbeitszeitmodellen. In diesem Zusammenhang lobte er die beiden Kliniken der Frankfurter Rotkreuz-Schwesternschaften, die Anfang dieses Jahres eine 35-Stunden-Woche bei vollem Gehaltsausgleich für Mitarbeiter der stationären Pflege eingeführt haben.
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