Misshandelt und missbraucht: Kinderschutzhaus entsteht in Halle
Halle – Für schwerst traumatisierte Jungen und Mädchen soll es ab Ende 2018 in Halle ein diagnostisches Schutzhaus mit dem Namen „Mattisburg“ geben. Es wird von der Stiftung „Ein Platz für Kinder“ gemeinsam mit der D.-und-H.-Urban-Stiftung den Angaben zufolge aus Spenden gebaut. „Die Kinder, die wir aufnehmen, sind so schlimm geschädigt, dass sie eine ganz intensive Betreuung brauchen“, sagte Dorothea Urban, Gründerin der Stiftung D. und H. Urban.
In Halle wird es demnach die erste „Mattisburg“ in Ostdeutschland geben. Dort sollen zwölf Jungen und Mädchen im Alter von vier bis zwölf Jahren – aus Sachsen-Anhalt und in Einzelfällen auch aus anderen Regionen Deutschlands – von speziell ausgebildeten Traumaexperten betreut werden. In der Regel seien Kinder in der „Mattisburg“ zwischen sechs Monaten und einem Jahr. Die Einrichtung sei für Kinder gedacht, die sehr schwere Gewalt, sexuellen Missbrauch und massive Vernachlässigung erlebt haben. „Sie sollen sich dort wohl und sicher fühlen“, sagte Susanne Willers, Geschäftsführerin des Regionalverbandes Halle der Caritas. Die Wohlfahrtsorganisation sei Partner des Projekts.
Der Name ist den Angaben zufolge angelehnt an die Geschichte von „Ronja Räubertochter“. Das Kinderbuch hat die schwedischen Autorin Astrid Lindgren geschrieben. Bundesweit gebe es derartige diagnostisch-pädagogische Kinderschutzhäuser in Hamburg und Hannover.
Die Kinder werden über die Jugendämter in die „Mattisburg“ vermittelt, in der Regel nachdem vorherige Betreuungs- und Therapieformen im Einzelfall nicht ausreichend und speziell genug waren. Es seien Kinder, die aufgrund der erlebten Traumata in Heimen und Pflegefamilien keinen Fuß fassen konnten, hieß es. Bisherigen Erfahrungen zufolge fielen die betroffenen Kinder und Jugendlichen durch besonderes Verhalten auf, zum Beispiel durch Gewalt, Borderline-Syndrom oder auch Essstörungen.
Das rund eine Million Euro teure Haus entsteht in Halle auf einem 1.700 Quadratmeter großen Gelände des St.-Barbara-Krankenhauses. Es hat seit Langem Erfahrung bei der Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit psychiatrischen Problemen. „Wir wollen ihnen Halt und Haltung geben, dass sie selbst einen Platz in der Gesellschaft finden können“, sagte der Geschäftsführer des Krankenhauses St. Elisabeth & St. Barbara, Thomas Wüstner zum Anliegen des neuen Objekts. Allein durch eine ausgeklügelte Architektur soll es nach Stiftungsangaben den Charakter eines sicheren und heimischen Ortes verkörpern.
Nach dem Aufenthalt in der „Mattisburg“ werde gemeinsam mit dem Jugendamt entschieden, wo das Kind optimal untergebracht werden könne, sagte die Gründerin der Stiftung „Ein Platz für Kinder“, Johanna Ruoff. „Wir wollen die Eltern aber nicht stigmatisieren“, betonte sie zugleich. So sollen sie die Möglichkeit bekommen, die Kinder – zum Beispiel einmal in der Woche für zwei Stunden – besuchen zu können.
Laut Statistischem Bundesamt führten die Jugendämter in Deutschland im Jahr 2015 rund 129.000 Verfahren, bei denen es um die Einschätzung einer Gefährdung von Kindern ging. Darunter waren 20.800 Fälle, in denen eindeutig eine akute Kindswohlgefährdung vorlag. Das waren 11,7 Prozent mehr als 2014.
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