Neuauflage globaler Klimaproteste vor der Europawahl

Kopenhagen/Berlin – Zwei Tage vor dem Haupttag der Europawahl sind weltweit erneut Menschen für eine bessere Klimapolitik auf die Straße gegangen. Die Organisatoren des Netzwerks Fridays for Future hatten Kundgebungen an mehr als 1.600 Orten in mehr als 120 Ländern geplant. Mindestens 218 deutsche Städte von Flensburg bis nach Lindau im Bodensee waren dabei, so viele wie in keinem anderen Land.
Allein in Berlin zogen nach Angaben der Veranstalter mehr als 15.000 Demonstranten vom Brandenburger Tor durch das Regierungsviertel. Die Polizei sprach von mehreren Tausend Teilnehmern. Immer wieder riefen die Anwesenden die Parole: „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut.“
Das deutsche Gesicht der Klimabewegung, Luisa Neubauer, rief dazu auf, bei der Stimmabgabe bei der Europawahl ans Klima zu denken. „Wir brauchen ein EU-Parlament, das angesichts der größten Krise der Menschheit die Ärmel hochkrempelt und nicht die Augen verschließt.“
Der Potsdamer Klimaforscher Stefan Rahmstorf forderte, die Pariser Klimaziele konsequent umzusetzen. „Wir müssen darauf vertrauen, dass endlich ernsthafte Anstrengungen unternommen werden, um die globale Erwärmung noch auf 1,5 Grad zu begrenzen.“ Nicht weniger als die Zukunft „unserer Zivilisation“ stehe auf dem Spiel.
Schäuble zeigt Verständnis
Die Politik müsse den jungen Menschen „endlich zeigen, dass sie die Herausforderung gemeinsam und europäisch annimmt“, sagte heute die Mitgründerin Lisa Badum, klimapolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. Die Klimaaktivistin Neubauer ist zwar Grünen-Mitglied, kritisiert aber deren klimapolitische Ziele als nicht ehrgeizig genug.
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hat unterdessen eine entschlossenere Klimapolitik der Bundesregierung gefordert. „Wir brauchen Entscheidungen, in der Klimapolitik wie anderswo“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Deutschland habe sich bereits unter der Ägide von Angela Merkel als Umweltministerin in den 1990er-Jahren in Kyoto zu Klimazielen verpflichtet.
„Es geht nicht, dass man Vereinbarungen trifft, und sie dann nicht erfüllt. Ich kann verstehen, dass junge Leute das nicht akzeptieren“, sagte Schäuble. „Es ist gut, dass junge Leute Druck machen. Das ist ein Mut machendes Zeichen und es kann für Bewegung sorgen.“ Die Regierung dürfe in der Klimapolitik auch nicht vor Entscheidungen zurückschrecken, die als Belastung aufgefasst werden könnten.
Fridays for Future geht auf eine Protestaktion der 16-jährigen schwedischen Klimaaktivistin Greta Thunberg zurück, die seit August 2018 vor dem Parlament in Stockholm für besseren Klimaschutz demonstriert. Ihr Schulstreik hat weltweit Menschen zu Demonstrationen inspiriert.
Fridays for Future fordert, dass die Politik beim Thema Klima auf die Wissenschaft hört, die Ziele des Pariser Weltklimaabkommens einhält und mit entschiedenen Maßnahmen dazu beiträgt, die Erderwärmung bei 1,5 Grad Celsius zu stoppen. Schon heute ist es auf der Erde etwa ein Grad Celsius wärmer als vor der Industriellen Revolution.
Der zweite „globale Klimastreik“ heute nahm wegen der Zeitverschiebung seinen Anfang in Neuseeland. Nach asiatischen Ländern wie Indien und Indonesien wird dann auch in allen 28 EU-Staaten sowie in mehreren afrikanischen Staaten demonstriert, ehe Nord-, Mittel- und Südamerika dran sind.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: