Ärzteschaft

Neue Alzheimertherapien sind Herausforderung für das Gesundheitssystem

  • Donnerstag, 9. November 2023
/peterschreiber.media, stock.adobe.com
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Berlin – Neue Antikörpertherapien, die in Kürze auch in Deutschland verfügbar sind, stellen das Gesund­heitssystem vor besondere Herausforderungen. Darauf haben Wissenschaftler und Kliniker auf dem gestern begonnenen Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) hingewiesen.

Es handelt sich dabei um die Antikörper Aducanumab, Lecanemab und Donanemab. Alle drei richten sich ge­gen das gleiche Therapietarget, gegen Beta-Amyloid. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA hat bislang noch keine Antikörpertherapie gegen Alzheimer zugelassen, anders als die amerikanische Zulassungsbehörde FDA.

Für Aducanumab hat die EMA die Zulassung verweigert, da es aufgrund der Datenlage zurzeit nicht klar sei, ob es unter der Therapie zu einer Verlangsamung der Krankheitsprogression komme. Außerdem schätzt die EMA angesichts der Nebenwirkungen das Nutzen-Risiko-Potenzial nicht als ausreichend positiv ein.

Laut DGN ist aber mit der Zulassung der beiden anderen Antikörper – Lecanemab und Donanemab – im kommenden Jahr zu rechnen. Dies stellt für die Versorgung eine besondere Herausforderung dar.

„Bei Zulassungen der neuen Alzheimermedikamente, die in wenigen Monaten zu erwarten sein dürften, brauchen wir nicht nur ausreichend viele Infusionsplätze in Ambulanzen, Praxen und Medizinischen Ver­sorgungszentren, sondern auch speziell geschultes und ausgebildetes Personal sowie ein entsprechendes Frühdiagnostikangebot mit den dafür notwendigen Labor- und Bildgebungskapazitäten“, sagte der General­sekretär der DGN, Peter Berlit.

Bei der hohen Zahl an Patienten werde es künftig eine große Herausforderung, sie flächendeckend gut zu versorgen, sagte Klaus Gehring, Vorsitzender des Berufsverbandes Deutscher Nervenärzte.

Auch die Kosten für die neuen Therapien sind immens. „Die Behandlungskosten für Lecanemab betragen in den USA 26.000 Dollar pro Jahr. Angesichts der hohen Zahl der zu behandelnden Patientinnen und Patienten – 400.000 neue Demenzdiagnosen pro Jahr in Deutschland, ein Großteil davon ist der Alzheimererkrankung zuzuschreiben – würden diese Therapien das Gesundheitsbudget massiv belasten“, sagte der DGN-Experte Richard Dodel. Dabei sei zu bedenken, dass auch die neuen Therapien Alzheimer nicht heilen sondern bisher nur die klinische Progression um vielleicht 30 Prozent verlangsamen.

„Aber alle Betroffenen haben Anspruch auf eine leitliniengerechte Therapie“, betonte Uwe Meier, Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Neurologen.

Die DGN und die Berufsverbände sind sich einig: „Das sind Ausgaben, die gesamtgesellschaftlich konsentiert sein müssen und es fehlt eine öffentliche Debatte zu diesem wichtigen Thema. Hier ist nun die Gesundheits­politik gefordert – denn es muss geklärt werden, wie wir die Versorgung in der Fläche und die Bezahlbarkeit sicherstellen können.“

Der Präsident der DGN, Lars Timmermann, wies in diesem Zusammenhang auf das große Potenzial hin, dass die Prävention habe. Insgesamt könnten 35 Prozent aller Demenzen durch den Lebensstil und die Korrektur verschiedener Risikofaktoren verhindert werden.

Neben zu wenig Bewegung und schlechter Ernährung seien das die Abnahme der Hörfähigkeit, Bluthochdruck, Übergewicht, Rauchen, Diabetes mellitus, Depression und geringer sozialer Kontakt. Der DGN-Jahreskongress findet vom 8. bis 11. November in Berlin statt.

hil

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