Neuer Ansatz zur Personalbemessung in psychiatrischen Kliniken

Berlin – Das Plattformmodell bietet die Möglichkeit, notwendige Behandlungsprozesse und damit verbundene Personalbedarfe in der stationären psychiatrischen Behandlung zu definieren.
Das ist das Ergebnis der vom Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) finanzierten Studie „Überprüfung der Eignung des ‚Plattformmodells‘ als Instrument zur Personalbemessung in psychiatrischen und psychosomatischen Kliniken (EPPIK)“, die das von 22 psychiatrischen Fachgesellschaften entwickelte Modell empirisch getestet hat.
Darauf weisen in einer Pressemitteilung die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) und die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP) hin, die bei der Entwicklung des Plattformmodells federführend waren.
Die EPPIK-Studie wurde von einem multidisziplinären Projektteam aus Forschung, Beratung und Versorgung unter Koordination der Universität Ulm durchgeführt, in Kooperation mit DGPPN und DGKJP.
„EPPIK liefert erstmals empirische Daten für ein Modell zur Personalbemessung in der stationären Psychiatrie“, sagte Andreas Meyer-Lindenberg, Präsident der DGPPN. „Es zeigt sich, dass der Behandlungsbedarf der Patientinnen und Patienten reliabel eingeschätzt werden kann. Auch die Dimensionen des Modells bilden sich wie erwartet ab: So ist zum Beispiel in den Clustern mit einem erhöhten somatischen Bedarf auch der Zeitaufwand für die Pflege und die Ärztinnen und Ärzte besonders hoch.“
Der Präsident der DGKJP Marcel Romanos ergänzt: „Die Studie hat aufgezeigt, wie eine Personalbemessung für eine moderne Behandlung psychiatrischer Patienten mittels Konsenses von Expertinnen und Experten entwickelt werden kann.“ Damit seien jetzt wichtige notwendige Bestandteile der multiprofessionellen Behandlung nachvollziehbar und auch der Personalbedarf dafür.
Insgesamt liegt den beiden Fachgesellschaften zufolge der durch EPPIK ermittelte Personalbedarf deutlich höher als die Mindestvorgaben der „Richtlinie über die personelle Ausstattung der stationären Einrichtungen der Psychiatrie und Psychosomatik“ (PPP-RL) des G-BA, die seit Januar 2020 verbindliche Vorgaben zur Mindestausstattung des Personals in psychiatrischen und psychosomatischen Krankenhäusern festlegt. „EPPIK geht von dem tatsächlichen Bedarf der Betroffenen aus. Die Differenz ist deshalb nicht verwunderlich“, heißt es zur Begründung von DGPPN und DGKJP.
Die beiden Fachgesellschaften erläutern, dass sich das Plattformmodell „am Behandlungsbedarf psychisch erkrankter Menschen orientiert und diesen auf verschiedenen Dimensionen betrachtet: psychiatrisch-psychotherapeutisch, somatisch und psychosozial“. Für jede dieser drei Dimensionen werde zwischen regulärem und erhöhtem Versorgungsbedarf unterschieden. So entständen insgesamt acht Bedarfscluster.
Für die Studie wurden den Fachgesellschaften zufolge Daten von fast 11.000 Patienten aus 54 Kliniken der Erwachsenen- beziehungsweise Kinder- und Jugendpsychiatrie analysiert. Zunächst sei überprüft worden, ob der jeweilige Behandlungsbedarf mit Hilfe des Plattformmodells verlässlich eingeschätzt werden kann.
Anschließend haben demnach Fachleute aus allen an der Behandlung beteiligten Berufsgruppen gemeinsam mit Betroffenen erarbeitet, wie eine optimale Behandlung in jedem der acht Bedarfscluster aussehen sollte.
Hierfür sei ausgehend von beispielhaften Fallvignetten bestimmt worden, welche Behandlungsbausteine und Tätigkeiten für die multiprofessionelle Behandlung von Patientinnen und Patienten in jedem der Bedarfscluster notwendig sind und wieviel Zeit dafür benötigt wird.
Schließlich wurde mit Hilfe der Delphi-Methode, einem systematischen, mehrstufigen Befragungs- und Schätzverfahren, ermittelt, wieviel Personal für die derart definierte Behandlung benötigt wird.
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