Neuer Ansatz zur Therapie von Pneumokokkeninfektionen

Greifswald – Einen grundlegenden Mechanismus der Zellwandbiosynthese bei Streptococcus pneumoniae haben Forscher der Universität Greifswald und des Forschungszentrums Borstel entschlüsselt. Sie hoffen, damit einen Therapieansatz bei der Bekämpfung von Pneumokokkeninfektionen beschrieben zu haben. Ihre Ergebnisse sind in der Zeitschrift Nature Communications erschienen (2017; doi: 10.1038/s41467-017-01720-z).
Pneumokokken besitzen die Fähigkeit, die Schleimhäute des oberen Atmungstraktes symptomlos zu kolonisieren und gehören damit zur Normalflora des Menschen. Gefürchtet sind die durch Pneumokokken verursachten schwerwiegenden Infektionen. Zu diesen gehören zum Beispiel die außerhalb des Krankenhauses erworbenen und lebensbedrohlichen Lungenentzündungen oder Blutvergiftungen. Hiervon besonders betroffen sind Kinder unter 5 Jahren sowie ältere oder immungeschwächte Menschen.
Eins der gefährlichstes Bakterien
Pneumokokken gehören laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) derzeit zu den 12 gefährlichsten Bakterien für die Menschheit. Die Impfstoffe gegen Pneumokokken schützen nicht gegen alle relevanten Stämme des Bakteriums. Außerdem treten zunehmend Resistenzen gegen verschiedene Antibiotika auf, die eine Behandlung von Infektionen deutlich erschweren.
In einer gemeinsamen Studie haben nun 2 Wissenschaftlerteams um Nicolas Gisch aus der Forschungsgruppe Bioanalytische Chemie vom Forschungszentrum Borstel – Leibniz Lungenzentrum und Sven Hammerschmidt, Leiter der Abteilung Molekulare Genetik und Infektionsbiologie der Universität Greifswald, ein Schlüsselmolekül für die Zellwandsynthese des Bakteriums identifiziert.
Es ermöglicht die Synthese von Teichonsäuren, das sind wichtige makromolekulare Zuckerbestandteile der Zellwand grampositiver Bakterien. Bei Pneumokokken sind sie auch für die Verankerung von speziellen Oberflächenproteinen verantwortlich, die an der Kolonisierung und Virulenz des Erregers beteiligt sind.
Die Forscher identifizierten das finale Enzym der Lipoteichonsäure-Biosynthese der Pneumokokken, die Lipoteichonsäure-Ligase (TacL). Sie zeigen, dass das Fehlen des Enzyms TacL zu einem vollständigen Verlust der Lipoteichonsäuren in der Zellwand des Bakteriums führt. Die so generierten Pneumokokkenstämme weisen nach Wachstum in Nährmedien unter Laborbedingungen eine unveränderte Zellmorphologie und Physiologie auf.
„Überraschenderweise zeigten Pneumokokken, die keine Lipoteichonsäuren mehr herstellen konnten, eine deutlich reduzierte Anheftung an humane Epithelzellen in zellkulturbasierten Infektionsexperimenten“, so Hammerschmidt. Darüber hinaus konnten die Forscher zeigen, dass Pneumokokken ohne Lipoteichonsäure eine deutlich verminderte Virulenz in verschiedenen In-vivo-Infektionsmodellen aufweisen.
„Daher ist das Enzym TacL ein interessantes Ziel für die Suche nach geeigneten pharmakologischen Substanzen, die neue Therapiemöglichkeiten bei durch Pneumokokken verursachten Lungenentzündungen eröffnen“, berichtet Gisch.
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