Neurogene Harnblasenfunktionsstörung: Bedarf für urologische Hilfsmittelversorgung ermittelt

Greifswald – In Deutschland liegen bisher keine wissenschaftlichen Abschätzungen vor, die den objektiven und subjektiven Bedarf urologischer Hilfsmittel beziffern. Für Patienten mit neurogenen Harnblasenfunktionsstörungen (NBFS) haben Ärzte von sechs neurourologischen Zentren Patientendaten ausgewertet, die vor allem mit intermittierendem Einmalkatheterismus (IK) ihre Blase entleeren. Ihre Ergebnisse, die im Urologen publiziert wurden, bestätigen den bekannten variablen Bedarf (2016, doi: 10.1007/s00120-016-0250-y).
Insgesamt haben die Autoren fast 800 Datensätze ausgewertet. Drei Viertel der Patienten entleerten ihre Harnblase ausschließlich mit IK. Sie verbrauchten im Schnitt 5,13 Einmalkatheter pro Tag. Etwa vier Prozent entleerten die Blase nur teilweise über Einmalkatheter, zudem aber auch willentlich, reflexartig oder mittels Vorderwurzelstimulation. Ihr Bedarf lag im Schnitt etwas niedriger mit 3,17 Einmalkathetern pro Tag. Diese Zahlen stimmen auch mit dem mittleren Blasenvolumen überein. Geht man von einem Blasenfüllungsvolumen von 400 ml aus, ergibt sich eine Katheterisierungsfrequenz
zwischen vier- und sechsmal am Tag, was einer Blasenentleerung alle vier bis sechs Stunden entspricht.
Etwa 15 Prozent der untersuchten NBFS-Patienten benötigten zusätzlich aufsaugende Vorlagen, im Schnitt 2,3 pro Tag. Zwischen fünf und acht Prozent nutzen Pants (2,55/Tag) oder Kondomurinale (3,81/Tag). Physiologische Besonderheiten, wie etwa eine Querschnittslähmung, können den Bedarf jedoch erhöhen. Ungewissere Angaben konnten die Autoren für den Hilfsmittelbedarf bei Kindern schlussfolgern. Der objektive Bedarf ließe sich daher nach oben nicht limitieren.
Zahlreiche Verträge von Krankenkassen mit Leistungserbringern orientieren sich derzeit an Obergrenzen, wonach eine Genehmigungspflicht bei einer Versorgung ab 181 Kathetern oder ab 32 Kondomurinalen pro Monat nötig wird. Die Autoren sprechen sich klar gegen eine starre Versorgungspauschale in der urologischen Hilfsmittelversorgung aus. Diese könne nicht zielführend sein. Den Gesetzgeber fordern sie auf, die neuen Erkenntnisse in die Gesetzesinitiative zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung (HHVG) einfließen zu lassen.
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