Heil- und Hilfsmittelgesetz auf dem Weg
Berlin – Das Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz (HHVG) ist gestern Nacht in 1. Lesung ohne Aussprache – die Reden wurden zu Protokoll gegeben – im Bundestag an den Gesundheitsausschuss überwiesen worden. Hintergrund vieler Ansatzpunkte ist, dass der Preiswettbewerb der Krankenkassen in den vergangenen Jahren immer wieder zu Qualitätsmängeln bei der Versorgung von Patienten mit Hilfs- und Heilmitteln geführt hat. Das neue Gesetz soll bestehende Mängel angehen.
Unter anderem sieht die Reform eine Entkoppelung der Kosten von der Grundlohnsumme vor. Konkret sollen laut Gesetzentwurf die Begrenzung von Anhebungen der Vergütungen durch die Grundlohnrate für die Jahre 2017 bis 2019 aufgehoben werden.
Modellprojekt zur Blankoverordnung
Darüber hinaus soll es in jedem Bundesland ein Modellprojekt zu Blankoverordnungen von Heilmittelerbringern geben. Vorgesehen ist, dass diese unter bestimmten Bedingungen selbst über die Auswahl und die Dauer der Therapie sowie die Frequenz der Behandlungseinheiten bestimmen. Diese Art der Blankoverordnungen sind nicht zu verwechseln mit dem schon einmal diskutierten Direktzugang zu Physiotherapeuten, Logopäden und anderen Heilmittelerbringern. Beim Direktzugang könnten die Heilmittelerbringer Patienten auch ohne die ärztliche Verordnung zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung behandeln. Das ist im Gesetz nicht vorgesehen.
Ziel der Modellprojekte ist es zu überprüfen, ob die Blankoverordnungen geeignet für die Regelversorgung sind. Die Ärzteschaft betonte bereits im Vorfeld, dass es wichtig ist, dass Diagnose- und Indikationsstellung ausschließlich beim Vertragsarzt liegen. Das hatte Regina Feldmann, Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), schon im Juni betont. Sie hatte zudem gefordert, dass die Ärzte am Modellvorhaben beteiligt werden.
Vorgaben für das Hilfsmittelverzeichnis
Der GKV-Spitzenverband (GKV-SV) bekommt mit der Reform eine Frist bis zum 31. Dezember 2018 gesetzt, sämtliche Produktgruppen des Hillfsmittelverzeichnisse, die seit dem 30. Juni 2015 nicht mehr grundlegend aktualisiert wurden, systematisch zu überprüfen und zu erneuern. Bis Ende 2017 soll der GKV-SV eine Verfahrensordnung erarbeiten, in der die Details dazu geregelt werden, wie künftig Hilfsmittel den Weg in das Verzeichnis finden und wie dieses regelmäßig aktualisiert werden kann.
Um Problemen, die es mit der Hilfsmittelversorgung in den vergangenen Jahren bei Hilfsmittelausschreibungen der einzelnen Krankenkassen – wie etwa bei Inkontinenzversorgung von Patienten – gegeben hat, vorzubeugen, überträgt der Gesetzgeber den Krankenkassen Überwachungspflichten. Diese müssen demnächst prüfen, ob die Leistungserbringer die gesetzlichen und vertraglichen Pflichten erfüllen. Es soll Stichproben und Auffälligkeitskontrollen geben, heißt es im Gesetz. Der GKV-Spitzenverband soll Empfehlungen erarbeiten, wie diese Überwachung aussehen könnte.
Änderungen bei den Ausschreibungsvorschriften
Zudem greift der Gesetzgeber in die Ausschreibungen selbst ein. Kriterium wird künftig nicht mehr nur allein die Wirtschaftlichkeit, also der niedrigste Preis, sein. Neben dem Preis seien auch andere Kriterien „wie Qualität, technischer Wert, Zweckmäßigkeit, Zugänglichkeit der Leistung insbesondere für Menschen mit Behinderungen, Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betreuten Personals, Kundendienst und technische Hilfe, Lieferbedingungen sowie Betriebs- und Lebenszykluskosten heranzuziehen“, heißt es. Zudem müssen die Krankenkassen ihren Versicherten „bei Versorgungen, die im Wesentlichen von Ausschreibungsverträgen zustande gekommen sind“, „Wahlmöglichkeiten“ zwischen verschiedenen mehrkostenfreien Hilfsmitteln einzuräumen.
Verbessert werden soll darüber hinaus die Beratung der Versicherten. Künftig müssen die Krankenkassen über wesentliche Inhalt der Verträge und die Vertragspartner aufklären. Die Inhalte zu den Verträgen müssen frei öffentlich im Internet publiziert werden. Die Leistungserbringer werden verpflichtet, die Versicherten zu beraten, welche Hilfsmittel und zusätzlichen Sachleistungen innerhalb des Sachleistungssystems für sie geeignet und notwendig sind. Die Beratung muss schriftlich dokumentiert werden. Das gilt auch dann, wenn die Versicherten sich entscheiden, Zuzahlungen zu leisten. Diese Mehrkosten müssen die Leistungsebringer den Krankenkassen künftig melden.
Klarstellungen bei der Wundversorgung
Neben den Änderungen bei den Hilfsmitteln, widmet sich die Reform chronischen und schwer heilenden Wunden. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) erhält den Auftrag, die Versorgung im Einzelnen zu regeln. Diese soll auch in spezialisierten Einrichtungen erfolgen können, in denen eine Wundversorgung angeboten wird, heißt es explizit im Gesetz.
Für Verbandsmittel soll eine einheitliche Definition helfen, das bestehende Chaos zu beheben. Derzeit werde mangels gesetzlicher Definition in der Praxis teilweise über Erstattungsbeträge für dieselben Produkte je nach Krankenkasse unterschiedlich entschieden oder es würden Unterschiede zwischen ähnlichen Produkten gemacht, schreibt der Gesetzgeber. Das sei für Versicherte nicht nachzuvollziehen. Künftig sollen klassische Verbandsmittel von allen Kassen einheitlich bezahlt werden. Für andere Mittel zur Wundbehandlung muss die medizinische Notwendigkeit nachgewiesen werden, wie es heißt. Die Details soll der G-BA regeln.
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