Neurologen sollten Schlafmangel mehr Aufmerksamkeit schenken

Amsterdam – Neurologen sollten bei der Anamnese besonderes Augenmerk auf den Schlaf und mögliche Schlafstörungen ihrer Patienten haben. Das empfahl Pierre Maquet, Leiter der neurologischen Abteilung an der Universität Lüttich auf dem dritten Kongress der European Academy of Neurology (EAN) in Amsterdam.
Im Schnitt schlafen heute Amerikaner 6,5 und Europäer rund sieben Stunden pro Nacht. „Das ist um eineinhalb Stunden weniger als unsere Großeltern geschlafen haben und bedeutet, dass wir alle an chronischem Schlafmangel leiden“, so Maquet. Das wirke sich auf die Informationsverarbeitung im Gehirn aus. „Bei Schlafmangel leidet vor allem die Fähigkeit, neue Informationen im Gedächtnis zu behalten“, so der Neuroexperte. „Es scheint so zu sein, dass die nach jeder neuen Information angelegten Gedächtnisspuren fragil bleiben, bis sie im Schlaf verfestigt und so ins Langzeitgedächtnis eingebaut werden“, erläuterte er.
Die Störung des natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus ist gefährlich
Maquets stellte in Amsterdam Forschungsergebnisse vor, nach denen nicht nur der Schlafmangel gesundheitliche Risiken birgt, sondern auch die dauerhafte Störung des natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus. In einer Versuchsanordnung mussten junge und völlig gesunde Probanden 42 Stunden lang wach bleiben und sich dabei verschiedenen kognitiven Aufgaben stellen. Dabei wurden ihre Gehirnaktivitäten mit einer funktionellen Magnetresonanztomographie aufgezeichnet.
„Zu unserer Überraschung hat sich gezeigt, dass es zwischen verschiedenen Regionen der Großhirnrinde Unterschiede im zirkadianen Rhythmus gibt”, fasste Maquet die Ergebnisse zusammen. „Jede dieser inneren Uhren scheint auf den Schlafmangel an sich zu reagieren. Das bedeutet, dass die Informationsverarbeitung nur dann optimal funktioniert, wenn wir zur richtigen Zeit schlafen“, berichtete er.
Maquets appellierte an Neurologen, der Schlafqualität ihrer Patienten deutlich mehr Aufmerksamkeit zu schenken: „Die Auswirkungen von Schlafmangel und Störungen des Tagesrhythmus wird von den meisten noch unterschätzt. Wir müssen verstärkt anerkennen, dass der Schlaf entscheidenden Einfluss auf die Gesundheit und den Verlauf vieler neurologischer Erkrankungen hat“, sagte er. Schon einfache Fragen wie „Schlafen sie gut?“, „Schnarchen Sie?“ oder „Leiden sie unter Tagesmüdigkeit oder Schlaflosigkeit?“ könnten sehr hilfreich für die Patienten und den Verlauf ihrer Therapie sein, so der Lütticher Neurologe.
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