Niederlande: Notaufnahmen zeitweise geschlossen, Bettensuche in Deutschland

Den Haag – Durch die Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 ist die Gesundheitsversorgung in den Niederlanden gefährdet. In Amsterdam, Rotterdam und Den Haag mussten die Notaufnahmen von Krankenhäusern bereits zeitweilig geschlossen werden, wie der Leiter des Netzwerkes Akute medizinische Versorgung, Ernst Kuipers, dem Parlament in Den Haag mitteilte.
Weil alle Betten belegt waren und zu wenig Personal zur Verfügung stand, mussten Erste-Hilfe-Abteilungen für mehrere Stunden schließen und Krankenwagen Patienten in andere Krankenhäuser oder Städte bringen.
In Krankenhäusern und auf Intensivstationen in den Niederlanden nimmt die Zahl der COVID-19-Patienten indes schnell zu. Die Regierung verschärfte die Maßnahmen und verhängte einen „Teil-Lockdow“.
Trotz der neuen Maßnahmen rechnen die Krankenhäuser damit, dass bis November im günstigsten Fall 40 Prozent der regulären Versorgung gestrichen werden müsse. Sollten die Maßnahmen nicht greifen, wird im schlimmsten Fall mit einer Reduzierung von 75 Prozent gerechnet.
„Dann bleibt neben der COVID-19-Pflege nur noch die Erste Hilfe übrig“, sagte Kuipers. Die Situation sei im Vergleich zur ersten Welle „düsterer“. Krankenhäuser strichen bereits Hunderte von Operationen und hätten zahlreiche Behandlungen abgesagt.
Patienten aus den Niederlanden in Münster behandelt
Der WDR berichtete bereits in der vergangenen Woche, dass sich die Universitätsklinik in Münster zum zweiten Mal darum kümmert, dass Coronapatienten aus den benachbarten Niederlanden auf Krankenhäuser in ganz NRW verteilt werden. Darum habe die niederländische Regierung gebeten, weil die Zahl der Infizierten im Nachbarland stark steige, so der WDR.
Bis zum 8. Oktober hat die Uniklinik Münster dafür 400 Krankenhäuser in NRW angeschrieben. Rund 60 Intensivbetten stünden bereits für niederländische Patienten bereit. Bislang seien aber noch keine Patienten nach Deutschland verlegt worden, hieß es.
Besorgt über die Entwicklung in Europa zeigte sich heute der CDU-Europaabgeordnete und gesundheitspolitische Sprecher der größten Fraktion im Europäischen Parlament (EVP-Christdemokraten) Peter Liese. Der Arzt warnte eindringlich davor gewarnt, die Gefahr des Coronavirus weiter zu verharmlosen.
„Ich bin wirklich wütend über diejenigen, die immer noch behaupten, Corona sei nicht schlimmer als eine Grippe und die die Gefahr einer zweiten Welle herunterspielen“, sagte Liese heute. „Wer jetzt immer noch meint, feiern sei wichtiger, als sich und andere zu schützen und die Maske sei ein unzumutbarer Eingriff, der hat einfach nicht verstanden, was passiert.“
Liese zeigte sich vor allem „schockiert“ über die dramatische Entwicklung der Zahlen in Deutschland und den Nachbarländern. Die Kapazitäten zur Behandlung von Coronapatienten seien in vielen Nachbarländern schon am Limit. Belgien, Spanien, Tschechien und Frankreich hätten echte Engpässe in der medizinischen Versorgung.
Es bestehe die Gefahr, dass sowohl Coronapatienten als auch Patienten, die an anderen Erkrankungen leiden würden, nicht mehr richtig behandelt werden könnten. Die Niederlande hätten sogar schon angefragt, ob sie erneut Patienten nach Deutschland schicken könnten.
In der vergangenen Woche waren in den Niederlanden fast 44.000 Neuinfektionen registriert worden – 60 Prozent mehr als in der Vorwoche und 252 pro 100.000 Einwohner. Seit gestern gilt ein „Teil-Lockdown“ – Bars, Cafés und Restaurants müssen schließen und dürfen Speisen und Getränke nur noch zum Mitnehmen anbieten.
Zwischen 20 Uhr und 7 Uhr dürfen kein Alkohol und Cannabis mehr verkauft oder öffentlich konsumiert werden. Die Niederländer dürfen nur noch drei Besucher pro Tag bei sich zu Hause empfangen. Zudem gilt künftig in öffentlichen Räumen eine Maskenpflicht.
Nach Angaben des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten weisen die Niederlande derzeit die dritthöchste Rate an Neuinfektionen pro 100.000 Menschen in Europa auf. Nur in Tschechien und Belgien sind die Zahlen höher.
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