Oberbürgermeister sorgen sich um Kliniken der Maximalversorgung
Braunschweig – In der Diskussion um eine große Krankenhausreform haben 19 Oberbürgermeister starke Existenzängste um ihre Krankenhäuser vorgetragen. „Wir sind in tiefer Sorge um die Zukunftsfähigkeit unserer kommunal getragenen und finanzierten Kliniken der Maximalversorgung“, heißt es in einem Schreiben an die Gesundheitsminister von Bund und Ländern, das dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt.
Sollten nicht sehr bald grundlegend veränderte Rahmenbedingungen beschlossen werden, stehe der Bestand der Kliniken auf dem Spiel, steht in dem gemeinsamen Brief vom 1. März. „Krankenhäuser der Maximalversorgung sind das Rückgrat der stationären medizinischen Versorgung in Deutschland“, schreiben die Stadtoberhäupter.
Die chronische Unterfinanzierung müsse enden, damit die Häuser weiter ihren Beitrag zur regionalen Daseinsvorsorge erbringen könnten, sagte Braunschweigs Oberbürgermeister Thorsten Kornblum (SPD), in dessen Stadt der bundesweite Appell initiiert wurde. Anlass seien die seit Jahren kritische Krankenhausfinanzierung und die aktuellen Bund-Länder-Gespräche für Reformen.
„Die Investitionskostenfinanzierung der Länder, die die vollständige Finanzierung dieser bei Maximalversorgern nicht selten etliche hundert Millionen Euro umfassenden Vorhaben gewährleisten müsste, ist seit langem erheblich unterdotiert“, heißt es in dem Schreiben. Die Folgen des massiven langjährigen Investitionsstaus belasteten die zunehmend überforderten städtischen Haushalte zusätzlich.
Die Oberbürgermeister aus fast allen Bundesländern fordern in dem Brief eine deutlich bessere finanzielle Ausstattung ihrer Krankenhäuser. Kurzfristig müsste es eine Refinanzierung erheblicher Erlösausfälle sowie massiv gestiegener Energie- und Sachkosten, auch zur Sicherstellung der erforderlichen Liquidität, geben.
Darüber hinaus wollen die 19 Stadtoberhäupter eine künftige Einteilung der Krankenhäuser in klar abgegrenzte Versorgungsstufen und -rollen mit korrespondierenden Abrechnungsmöglichkeiten und zugeordneten Leistungsgruppen.
Es dürfe zudem keine Sonderregelungen oder -stufen für Universitätskliniken gegenüber kommunalen Maximalversorgern geben. Das schließe einheitliche Versorgungs- und Abrechnungsmöglichkeiten für Krankenhausambulanzen als Ergänzung zum niedergelassenen Bereich ein.
Notwendig sei zudem eine auskömmliche Betriebskostenfinanzierung durch die Ergänzung adäquater Fallpauschalen um Vorhaltepauschalen, insbesondere zur Abdeckung der Kosten jederzeit vorgehaltener Versorgungsinfrastruktur in nicht planbaren Leistungsbereichen wie den Notaufnahmen.
Auf der Agenda der Kommunalpolitiker steht auch die Auflösung des milliardenschweren Sanierungsstaus in der Investitionsförderung durch erhöhte Mittelbereitstellung der Länder unter Beteiligung des Bundes. Es brauche eine reformierte Krankenhausplanung, die die regional vorzuhaltenden Kapazitäten der jeweiligen Versorgungsstufen und deren laufende und investive Finanzierung aufeinander abstimmt.
Rückendeckung aus der SPD
Der Bundestagsabgeordnete Christos Pantazis, stellvertretender gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, unterstützt das Schreiben. „Es muss etwas passieren: Dass 19 Trägerstädte sich zusammenfinden und ein gemeinsames Forderungspapier erstellen, muss Wirkung zeigen“, sagte er.
Krankenhäuser der Maximalversorgung würden nicht nur seit der Pandemie eine der wichtigsten Säulen der medizinischen Gesundheitsversorgung darstellen. Sie dienten als Zentrum einer vollumfänglichen regionalen Versorgung und sind für diese von besonderer Wichtigkeit.
Pantazis rief die Länder auf, den Investitionsstau aufzulösen. „Leider kommt der Großteil der Bundesländer dieser Verpflichtung nicht nach. Das muss sich dringend ändern“, mahnte er. Nur in einem Zusammenspiel könne es gelingen, die Krankenhausversorgung modern und bedarfsgerecht aufzustellen und zu sichern.
Auch Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne), derzeit auch Vorsitzender der Gesundheitsministerkonferenz, zeigte Verständnis für die Sorgen in den Rathäusern. „Wir stehen an der Seite unserer Maximalversorger im Land“, sagte er.
Die Krankenhausreform könne nicht alle Vorstellungen der Expertenkommission auf alle Bundesländer gleichermaßen übertragen. Zu starre Voraussetzungen für bestimmte Level wie eine Stroke-Unit für Schlaganfälle oder eine Geburtshilfe könne Baden-Württemberg „keinesfalls mittragen“. Es müsse unter anderem Ausnahmetatbestände und Öffnungsklauseln für die Länder geben.
Die Krankenhauslandschaft in Deutschland soll nach dem Willen von Bund und Ländern grundlegend umgestaltet werden. Im Mai des vergangenen Jahres hatte eine „Regierungskommission Krankenhaus“ ihre Arbeit aufgenommen, um notwendige Reformen anzugehen.
Die Gesetzespläne sollen darauf zielen, das Kliniknetz in drei Versorgungsstufen einzuordnen und entsprechend zu finanzieren – von der wohnortnahen Grundversorgung über eine zweite Stufe mit weiteren Angeboten bis zu Maximalversorgern wie Universitätskliniken.
Der Vorsitzende des Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), Josef Hecken, rechnet damit, dass die Reform ein „sehr langer und sehr teurer Prozess“ wird. Das sagte er der Ärzte Zeitung. Hecken sprach sich für Übergangsfristen von „fünf, sechs“ Jahren aus, in denen kleine Krankenhäuser ertüchtigt werden.
Der frühere saarländische Gesundheitsminister warnte zugleich vor Begehrlichkeiten in den Bundesländern. „Jeder Abgeordnete wird versuchen, sein Krankenhaus zu schützen. Und jeder Ministerpräsident wird versuchen, in seine Krankenhausstruktur möglichst wenig Unruhe zu bekommen.“
Hecken forderte ferner, die künftigen Strukturvorgaben für die Krankenhäuser vom G-BA erstellen zu lassen. Die Selbstverwaltung wäre seiner Ansicht nach dafür „geeigneter, weil sie ein Stück weg ist von der Politik“.
Die Gesetzespläne sollen darauf zielen, das Kliniknetz in drei Versorgungsstufen einzuordnen und entsprechend zu finanzieren – von der wohnortnahen Grundversorgung über eine zweite Stufe mit weiteren Angeboten bis zu Maximalversorgern wie Universitätskliniken.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte sich vergangene Woche bei einem Treffen mit den Ländern offen für flexiblere regionale Lösungen gezeigt, aber auf einheitliche Regeln gepocht. Zu den Kosten der Reform sagte Lauterbach, die Höhe sei noch nicht bekannt. Die Frage, wer sie finanziere und welche Rolle der Bund dabei spiele, stelle sich erst, wenn ein konkretes Modell vorliege.
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