Medizin

Omikron: Experten prognostizieren britische Verhältnisse

  • Mittwoch, 15. Dezember 2021
/studio v-zwoelf, stock.adobe.com
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Braunschweig/Köln – Im Vereinigten Königreich verdoppeln sich die Infektionszahlen mit Omikron aktuell alle 2 bis 3 Tage, der R-Wert liegt bei 3,7. „Außerordentlich besorgt“ bezüglich des weiteren Verlaufs in Deutschland äußerten sich heute die Experten bei einer Pressekonferenz des Science Media Center. Bereits im Januar könnte die SARS-CoV-2-Variante hierzulande dominant sein, schätzte Christoph Neumann-Haefelin vom Universitätsklinikum Freiburg.

In Großbritannien müsse man basierend auf einer Modellierung damit rechnen, dass das Virus noch mal 20 bis 34 Millionen Menschen im Zeitraum Dezember bis April infizieren wird, was 50 % der Bevölkerung entsprechen würde, erklärte Dirk Brockmann, Leiter der Projektgruppe Epidemiologische Modellierung von Infektionskrankheiten, Robert-Koch-Institut (RKI), Berlin. Dieses Szenario könne man auch auf Deutschland übertragen, ist der Komplexitätsforscher überzeugt. „Weil es so wenig immunologische Gegenwehr in der Bevölkerung gibt, müssen wir mit solchen Zahlen rechnen. Es wäre eher ein Wunder, wenn es nicht so kommen würde.“

Sandra Ciesek, Direktorin des Instituts für medizinische Virologie am Universitätsklinikum Frankfurt betonte, dass Booster und zusätzliche Erstimpfungen in der aktuellen Situation nicht ausreichen würden. Mit den derzeitigen Maßnahmen zeigte sie sich unzufrieden. Sie warnte davor, die Testpflicht für geboosterte Personen abzuschaffen.

Als gutes Beispiel führte die Virologin Dänemark an. Das Land hätte schnell gehandelt und trotz bereits ausgerufenem Freedom Day wieder deutliche Beschränkungen eingeführt – das Nachtleben wurde geschlossen und Versammlungen mit mehr als 50 Personen untersagt. „Man kann nur darum bitten, dass alle prüfen, ob sie auf Kontakte und Veranstaltungen bis nächsten Frühjahr, Sommer verzichten können.“ Man könne die Dynamik nur entschleunigen, bekräftigte auch Brockmann und plädierte dafür wieder das Prinzip „flatten the curve“ in den Mittelpunkt zu stellen. Zu stoppen sei Omikron nicht.

Erste Erkenntnisse zur Immunflucht von Omikron

Omikron besitzt eine Vielzahl von Mutationen, die es der Variante ermöglichen, sich noch schneller zu verbreiten als Delta und einer bestehenden Immunität zumindest teilweise zu entkommen. Vergangene Woche publizierten mehrere Forschungsgruppen erste Erkenntnisse zur Immunflucht der Variante. In Südafrika konnten Experimente mit der Variante Omikron zeigen, dass die neutralisierende Wirkung der Antikörper gegenüber Delta 41-fach schwächer ist.

Eine Auswertung aus dem Vereinigten Königreich weist darauf hin, dass der Schutz vor einer symptoma­tischen Infektion bei 2-fach geimpften Personen stark reduziert ist. Eine 3. Dosis BNT162b2 (Booster) steigerte die Schutzwirkung nach 2 Wochen wieder auf 75,5 % (56,1-86,3 %). Dass eine Boosterimpfung den Schutz durch neutralisierende Antikörper wieder erhöhen kann, zeigten auch Labordaten von Pfizer und Biontech.

Eine noch nicht publizierte Studie eines Braunschweiger Forscherteams deutet darauf hin, dass die neue Virusvariante die Erkennung bei Geimpften und Genesenen umgehen kann. Die Forschenden hatten 64 Serumproben analysiert und mit der Bindungsstärke gegen die aktuellen Varianten Wuhan, Beta und Delta verglichen.

Antikörper vom Typ Immunglobulin G (IgG) gegen Omikron fanden sie sowohl im Blut von COVID-19-Patienten als auch in den nach der Impfung entnommenen Proben.

„Überraschenderweise stellen wir fest, dass die Omikron-Variante des Spikeproteins den Zelloberflä­chen­rezeptor weniger effizient bindet als das derzeit zirkulierende Virus. Andererseits haben sowohl COVID-Patientinnen und Patienten als auch geimpfte Personen verminderte Antikörperreaktionen gegen Omikron“, sagte Luka Cicin-Sain vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig. Dies deute darauf hin, dass die 15 Mutationen in der Omikron-Rezeptorbindungsdomäne eher dazu dienen, dass das Virus der Erkennung entgeht, aber nicht um Zellen effizienter zu infizieren.

Im Vergleich zum ursprünglichen Wuhan-Virus oder den Delta-Varianten konnten IgG-Antikörper die Omikron-Variante schlechter neutralisieren, selbst nach der Auffrischungsimpfung. Dies deutet darauf hin, dass ein teilweiser Schutz gegen SARS-CoV-2 gegeben ist, dass aber möglicherweise neue Impfstoff­formulierungen erforderlich werden, entsprechend den neutralisierenden Effekten von Antikörpern gegen lebende Viren, wie sie von anderen Labors beobachtet wurden.

gie

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