Osteuropäische Betreuungskräfte dürfen die Grenze passieren

Berlin – Osteuropäische Betreuungskräfte, die Pflegebedürftige in Deutschland in ihrem Zuhause versorgen, dürfen weiterhin nach Deutschland einreisen. Das erklärte das Bundesinnenministerium gestern in Berlin. Ein Einreiseverbot nach Deutschland gelte hingegen seit gestern um 17 Uhr für Saisonarbeiter und Erntehelfer. Damit soll die Ausbreitung des Coronavirus eingedämmt werden.
Grundlage der Einreiseerlaubnis von Pflegekräften sind die „Leitlinien für Grenzmanagementmaßnahmen zum Schutz der Gesundheit und zur Sicherstellung der Verfügbarkeit von Waren und wesentlichen Dienstleistungen“, die die Europäische Kommission am 16. März veröffentlicht hat.
„Die Mitgliedstaaten sollten Grenzpendlern den Grenzübertritt gestatten und erleichtern, insbesondere, aber nicht nur denjenigen, die im Gesundheits- und Lebensmittelsektor sowie anderen wesentlichen Dienstleistungsbereichen tätig sind (zum Beispiel Kinderbetreuung, Altenpflege, unerlässliches Personal in Versorgungsunternehmen), damit sie ihrer beruflichen Tätigkeit weiter nachgehen können“, heißt es darin.
„Bislang gibt es keine Probleme an der Grenze“
Eine entsprechende Lösung sei zudem zwischen dem Bundesgesundheitsministerium, dem Auswärtigen Amt und den Anbietern von Betreuungsleistungen in Deutschland konsentiert worden, heißt es in einer Pressemitteilung der Promedica Gruppe, einem Dienstleister, der unter anderem die Betreuung hilfebedürftiger Menschen in häuslicher Gemeinschaft durch osteuropäische Betreuungskräfte organisiert.
Derzeit werde die Einreise durch eine Bescheinigung für Berufspendler ermöglicht, die diese bei Ein- und Ausreisekontrollen an der deutschen Grenze vorlegen.
„Die Pflegekräfte aus Osteuropa, die wir beschäftigen, haben bislang keine Probleme beim Passieren der Grenze“, sagte der Geschäftsführer der Promedica Gruppe, Peter Blassnigg, dem Deutschen Ärzteblatt (DÄ). Das Unternehmen beschäftigt etwa 8.000 Pflegekräfte aus Osteuropa.
Sorge vor Versorgungsnotstand
In den vergangenen Tagen war in Pressemeldungen davon die Rede gewesen, dass es in den nächsten Wochen zu einem Versorgungsnotstand im Bereich der häuslichen Pflege kommen könne, weil viele osteuropäische Betreuungskräfte nicht mehr nach Deutschland einreisen könnten oder wollten.
„Wir rechnen damit, dass ab Ostern 100.000 bis 200.000 Menschen schrittweise nicht mehr versorgt sind, dass sie alleine zuhause bleiben und dass sie dann in Altenheimen oder Kliniken versorgt werden müssen“, sagte der Geschäftsführer des Verbandes für häusliche Betreuung und Pflege (VHBP), Frederic Seebohm, im Report Mainz vorgestern.
Derzeit sind nach Schätzung des VHBP rund 300.000 osteuropäische Betreuungskräfte in Deutschland tätig. 90 Prozent von ihnen arbeiten demnach schwarz.
„Das Problem sind derzeit die Transportmöglichkeiten“, erklärte Blassnigg von der Promedica Gruppe. Früher seien die osteuropäischen Betreuungskräfte mit Busunternehmen wie Flixbus oder dem polnischen Unternehmen Sindbad nach Deutschland gekommen. Diese Firmen hätten ihre Fahrten nun jedoch eingestellt. Blassnigg zufolge verfügt Promedica über eigene Busse, mit denen die Beschäftigten nach Deutschland gebracht werden.
Von den Betreuungskräften, die schwarz in Deutschland arbeiten, seien seines Wissens derzeit viele noch in Deutschland, da sie als Privatpersonen reisten und deshalb nach der Grenzüberquerung für 14 Tage in Quarantäne verbringen müssten. Durch die Coronapandemie könne es durchaus zu Versorgungsproblemen im Bereich der häuslichen Pflege kommen, meint Blassnigg. Einen Versorgungsnotstand erwartet er jedoch nicht.
Problem ist in den Pflegediensten angekommen
Auch der Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), Bernd Meurer, sieht ein Versorgungsproblem im häuslichen Bereich. „Das Problem ist bei unseren Mitgliedern angekommen“, sagt er dem DÄ. „Pflegebedürftige, die bisher von osteuropäischen Haushaltshilfen versorgt wurden, fragen jetzt vermehrt bei unseren Pflegediensten an. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten versuchen diese zu helfen.“
Daneben bestehe das Problem, dass Pflegeeinrichtungen entlang der Grenzregionen häufig auch Pflegekräfte aus dem angrenzenden Ausland – Tschechien, Österreich und Polen – beschäftigen. Aufgrund der Ein- und Ausreisebestimmungen gebe es gravierende Probleme, dass die Pflegekräfte täglich an ihren Arbeitsplatz kommen.
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