Medizin

Pankreaskarzinom: Harnstoffzyklus könnte Therapieansatz bieten

  • Sonntag, 20. August 2017
Bauchspeicheldrüsenkrebs /Sebastian Kaulitzki, stock.adobe.com
/Sebastian Kaulitzki, stock.adobe.com

Boston – Ein Schlüsselenzym im Harnstoffzyklus, über den die Zellen des Pankreas­karzinoms den beim Proteinabbau anfallenden Stickstoff eliminieren, könnte ein dringend benötigter neuer Angriffspunkt zur Behandlung der Krebserkrankung sein. Neben diesem in Nature Communications (2017; doi: 10.1038/s41467-017-00331-y) veröffentlichten Ergebnis bietet die Studie auch Erklärungsansätze, warum der Tumor bei adipösen Menschen häufiger auftritt.

Bauchspeicheldrüsenkrebs weist derzeit die niedrigste Überlebensrate unter allen Krebserkrankungen auf und ist in den letzten Jahren zur vierthäufigsten Krebstodesursache geworden. Die Adipositas gehört zu den wenigen etablierten Risikofaktoren des Karzi­noms (was wegen der Tumorkachexie häufig übersehen wird).

Um zu untersuchen, wie die Adipositas das Wachstum des Tumors fördern könnte, hat ein Team um Nada Kalaany vom Boston Children’s Hospital menschliche Krebszellen in den Pankreas von schlanken und adipösen Mäusen injiziert und später den Stoffwechsel der Krebszellen verglichen. Dabei stellte sich heraus, dass die Krebszellen in den adipösen Mäusen den Harnstoffzyklus intensivierten. Kalaany vermutet, dass die Krebszellen für ihr Wachs­tum vermehrt auf Proteine aus dem Blut der adipösen Mäuse zurückgreifen. Beim Abbau vieler Aminosäuren fällt Stickstoff an, den die Tumore entsorgen müssen. Zu diesem Zweck aktivieren die Tumorzellen die Enzyme des Harnstoffwechsels.

Der letzte Schritt im Harnstoffzyklus wird von dem Enzym Arginase katalysiert. Dieses Enzym existiert in zwei Varianten. Die Arginase 1 wird in der Leber gebildet, wo beim gesunden Menschen der Harnstoffzyklus abläuft. Die Tumorzellen benutzen dagegen die Variante Arginase 2, die beim gesunden Menschen von untergeordneter Bedeutung ist. 

Pankreaskrebszellen überleben dank Arginase-2

Die Forscher haben daraufhin die Krebszellen von 92 Patienten mit duktalem Pankre­as­karzinom untersucht. Auch hier wurde der Stickstoff mit der Arginase 2 gebildet, und zwar bei adipösen Patienten stärker als bei schlanken. Wie wichtig das Enzym für das Überleben der Krebszellen ist, zeigte sich in Experimenten an Tieren, denen das Arginase-2-Gen fehlte. Es kam zu einer Anhäufung von Ammoniak, dem wichtigsten Stickstoffträger, die das weitere Wachstum der Tumore verhinderte.

Diese Veränderungen wurden nicht nur bei adipösen Tieren gefunden. Auch bei schlan­ken Tieren beschleunigte sich das Krebswachstum, wenn die Tumore Arginase 2 zur Stickstoffentsorgung nutzten.

Wirkstoffe, die Arginase 2 blockieren, könnten deshalb eine neue Möglichkeit sein, das Wachstum von Pankreaskarzinomen zu bremsen. Die Therapie könnte nach Einschät­zung von Kalaany sicher sein, da Arginase 2 im gesunden Organismus von unter­geordneter Bedeutung ist. Ein genetischer Mangel beim Menschen ist nicht bekannt. Bei Mäusen führt die Ausschaltung des Gens zu keinen wesentlichen Gesundheits­störungen.

Noch gibt es keine Wirkstoffe, die gezielt das Enzym Arginase 2 blockieren. Bei genauer Kenntnis der Struktur ist es jedoch in der Regel möglich, einen Enzymblocker zu entwerfen. Neue Wirkstoffe beim Pankreaskarzinom werden dringend benötigt, da der Tumor – vermutlich infolge der Adipositas – immer häufiger wird und die Chemo­therapie bisher weitgehend erfolglos ist. In Deutschland erkranken derzeit pro Jahr fast 17.000 Menschen am Pankreaskarzinom. Aufgrund der schlechten Prognose ist die Zahl der jährlichen Todesfälle fast ebenso hoch.

rme

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