Pflegebedürftigkeit mit Check-Ups beim Renteneintritt hinauszögern

Berlin – Der BKK Dachverband hat in einem Positionspapier einen Paradigmenwechsel in der Pflege hin zu mehr Prävention angeregt. „Dafür brauchen wir niedrigschwellige Zugänge zu präventiven Maßnahmen“, sagte Anne-Kathrin Klemm, Vorständin des Verbandes, heute vor Journalisten in Berlin.
„Wir schlagen vor, mit dem Renteneintritt Check-Up-Untersuchungen vorzunehmen, um den Blick zu einem Zeitpunkt auf die Vermeidung von Pflegebedürftigkeit zu richten, an dem sich viele noch nicht mit diesem Thema befassen mögen.“ Solche Check-Ups sowie anderen Präventionsangebote sollten in Arztpraxen durchgeführt werden.
Zudem bedürfe es mehr Transparenz und weniger Fehlanreize im System, sagte Klemm. Der BKK Dachverband schlägt dafür eine zentrale Internetplattform vor, auf der alle Präventionsangebote eingesehen werden können.
Zudem müssten die finanzielle Anreize umgedreht werden, sagte Klemm: „Heute ist es so, dass die Vergütung im ambulanten und stationären Bereich umso höher ist, je höher der Pflegegrad der Patientinnen und Patienten ist. Das muss sich ändern. Es muss sich lohnen, gesund zu bleiben und die Versicherten davor zu bewahren, dass sich ihr Gesundheitszustand verschlechtert.“
Prävention zum Gamechanger in der Pflege machen
„Die Fakten sprechen für sich“, so Klemm weiter. „Die Zahl der Pflegebedürftigen hat sich zwischen 2013 und 2021 auf 4,9 Millionen verdoppelt, 2055 könnten es rund 6,8 Millionen sein.“ Gleichzeitig werde die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter bis 2040 deutlich zurückgehen.
„Das sind enorme Zugkräfte, denen unser System in den kommenden Jahren und Jahrzehnten ausgesetzt sein wird“, sagte Klemm. Vor diesem Hintergrund sei Prävention kein „Nice-to-Have“, sondern könne zu einem Gamechanger auch im Pflegebereich werden, mit dem die Pflegebedürftigkeit hinausgezögert werden könne.
Um mehr Prävention in der Pflege zu erproben, hat der BKK Dachverband zusammen mit der Charité Universitätsmedizin, dem Medizinischen Dienst Bund (MD-Bund) und der BKK mkk – meine krankenkasse das Innovationsfondsprojekt PrävPfleg ins Leben gerufen, das im Laufe des Jahres 2025 starten soll. Mit dem Projekt sollen Versicherte mit beginnenden kognitiven Einschränkungen angesprochen werden, deren Erstantrag auf Einstufung in eine Pflegestufe abgelehnt wurde.
„Mit unserem Ansatz wollen wir Menschen mit beginnenden kognitiven Einschränkungen dabei unterstützen, ihre Selbstständigkeit so lange wie möglich zu erhalten und vor einer Pflegebedürftigkeit zu bewahren“, sagte Adelheid Kuhlmey von der Charité. „Indem wir uns auf personalisierte Interventionen konzentrieren, können wir einen großen Unterschied in ihrer Lebensqualität machen.“ Erste Ergebnisse des Projekts sollen Ende 2026 vorliegen.
„Unsere Daten zeigen, dass viele Menschen bereits vor einer tatsächlich eingetretenen Pflegebedürftigkeit Unterstützung brauchen“, erklärte Martina Zimmermann, stellvertretende Vorständin der mkk. „Mit PrävPfleg und der gezielten Nutzung von Gesundheitsdaten können wir frühzeitig Muster erkennen, proaktiv Maßnahmen einleiten und so die Lebensqualität der Betroffenen deutlich verbessern.“
„PrävPfleg setzt genau zum richtigen Zeitpunkt an, nämlich dann, wenn sich das Risiko einer Pflegebedürftigkeit abzeichnet“, meinte Carola Engler, stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Medizinischen Dienstes Bund.
„Unsere Erfahrungen zeigen, dass viele Menschen, die keinen Pflegegrad erhalten, einen Unterstützungsbedarf haben. Mit unserer neuen Versorgungsform können wir sekundärpräventiv eingreifen und so das Fortschreiten einer Pflegebedürftigkeit verhindern oder hinauszögern. Die Beratung zu präventiven und rehabilitativen Maßnahmen gehört bereits zu unseren Aufgaben, PrävPfleg ergänzt diese um eine gezielte Intervention.“
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