Pflegekräfte wollen Teil der Krisenstäbe sein

Hannover – Nach dem Tod von 15 mit dem Coronavirus infizierten Menschen in einem Wolfsburger Altenheim hat die Pflegekammer Niedersachsen angemahnt, Pflegekräfte in Krisenstäbe zu holen. Die Pflege gehöre genauso in die kommunalen Krisenstäbe wie Ärzte oder der Katastrophenschutz, sagte die stellvertretende Kammerpräsidentin Nora Wehrstedt.
Die Expertise von Pflegekräften müsse ebenso gehört werden wie die von Virologen und Rettungskräften. Das werde angesichts steigender Fallzahlen in Pflegeheimen immer deutlicher. „Situationen wie in Wolfsburg dürfen sich nicht in ganz Niedersachsen wiederholen“, sagte sie. Bundesweit gebe es 3,4 Millionen Pflegebedürftige, dabei handele es sich durchweg um Risikopatienten, für die eine COVID-19-Infektion lebensbedrohlich sein könne.
„Die Pflegekammer Niedersachsen fordert bereits seit zwei Wochen, Pflegende regelmäßig auf eine Corona-Infektion zu testen“, sagte Kammerpräsidentin Nadya Klarmann. „Wir können zehnmal die Alten- und Pflegeheime für Besuch abschotten. Es bringt aber alles nichts, wenn infizierte Pflegende die Viren mit ins Haus bringen.“
Die Pflegekammer kritisierte zudem, dass die Quarantäneregeln für medizinisches Personal vom Robert -Koch-Institut gelockert worden seien. So könne die Quarantänezeit für medizinisches Personal nach einem ungeschützten Kontakt mit einem COVID-19-Patienten von 14 auf 7 Tage verkürzt werden, wenn keine Symptome auftreten.
„Das ist eine hochriskante Regelung, die Gesundheit und Leben von Menschen gefährdet, da eine Erkrankung mit Covid-19 zum Teil symptomlos verlaufen kann“, sagte Klarmann.
Fälle in deutschen Pflegeheimen markieren aus Sicht des Virologen Christian Drosten eine neue Phase in der Epidemie, die auch mit mehr gemeldeten Todesfällen einhergeht. „Wir sehen jetzt in diesen Tagen die Eintragungen zum Beispiel in Seniorenpflegeheime und haben hier dann den Beginn einer neuen Entwicklung“, sagte Drosten im NDR-Podcast.
Bisher habe Deutschland auch ein bisschen Glück gehabt: Infiziert hätten sich zunächst vor allem jüngere, sportliche Leute wie Skifahrer, die das Virus aus dem Urlaub eingeschleppt und es in ihren ungefähr gleichaltrigen Netzwerken verbreitet hätten. Diese Menschen erlebten zum größten Teil milde Krankheitsverläufe.
Wegen mehrerer Effekte gleichzeitig werde man jetzt zwangsläufig ein Ansteigen der berichteten Fallsterblichkeit sehen, sagte Drosten. Man sehe das jetzt schon an der Statistik: Sie liege nicht mehr bei 0,2 bis 0,4, sondern im Bereich 0,8 Prozent. Das liege daran, dass andere Altersgruppen als bisher von Sars-CoV-2 betroffen seien.
Hinzu komme, dass man bei der Diagnostik nicht mehr einer exponentiellen Entwicklung hinterherkommen könne: „Ich glaube nicht, dass wir unsere jetzige Testkapazität realistischerweise noch deutlich steigern können“, sagte Drosten mit Blick auf PCR-Tests. Davon könnten derzeit mehr als eine halbe Million pro Woche in Deutschland gemacht werden. Er sei aber unsicher, wie lange die Industrie dem großen Bedarf an Laborreagenzien noch nachkommen könne, so der Charité-Virologe.
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