Vermischtes

Pilotprojekt gegen Krankenhauskeim mit ersten vielversprechenden Daten

  • Mittwoch, 28. Juni 2023
Mittlerweile sind Staphylokokken-Stämme (gelb), die gegen das Antibiotikum Methicillin resistent sind (MRSA), weit verbreitet, und auch multiresistente Staphylokokken sind auf dem Vormarsch. Rasterelektronenmikroskopie /picture alliance
Mittlerweile sind Staphylokokken-Stämme (gelb), die gegen das Antibiotikum Methicillin resistent sind (MRSA), weit verbreitet, und auch multiresistente Staphylokokken sind auf dem Vormarsch. Rasterelektronenmikroskopie /picture alliance

Berlin – Personen, bei denen methicillinresistente Staphylococcus aureus (MRSA) nachgewiesen wurden, können zu Hause Sanierungsmaßnahmen durchführen, um diesen Keim vor stationärer Auf­nah­me zu elimi­nieren oder zu reduzieren. Erste Ergebnisse des Projektes „STAUfrei“ zeigen, dass diese Intervention umzu­setzen ist.

Das kann durch eine enge Kooperation von klinisch und ambulant tätigem Pflege- und ärztlichen Personal unter intensiver Beteiligung der Patientinnen und Patienten gelingen.

Auf einer Veranstaltung des Dachverbands der Betriebskrankenkassen (BKK innovativ) stellte Heidrun Sturm vom Institut für Allgemeinmedizin und Interprofessionelle Versorgung am Universitätsklinikum Tübingen ers­te Ergebnisse des Projektes, das mit Mitteln aus dem Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) unterstützt wurde, vor.

Die prospektive kontrollierte Interventionsstudie schloss Patienten nach Indikationsstellung für eine geplante Operation ein. Bei allen Teilnehmenden wurde circa fünf Wochen vor dem Eingriff ein Ab­strich aus der Nase entnommen und auf das Vorliegen von methicillinsensitiven Staphylococcus aureus (MSSA) und MRSA untersucht.

Die Personen der Interventionsgruppe (n = 3.088, 41,4 Prozent) erhielten bei positivem Befund eine umfassende Aufklärung in der Regel in der ambu­lanten Praxis durch speziell geschulte Pflege­kräfte (Link Nurses) sowie ein sogenanntes Dekontaminationsset (siehe Kasten) für zu Hause, um den Krankenhauskeim weitestgehend elimi­nieren zu können. In der Kontrollgruppe (n=4.415, 58,6 Prozent) erfolgte diese Intervention nicht.

Bei Klinikaufnahme und zu weiteren Zeitpunkten nach dem Eingriff wurden weitere Abstriche durchgeführt und untersucht. Primärer Endpunkt der Studie war die Besiedlung mit MSSA und MRSA bei stationärer Aufnahme, zu den sekun­dären Endpunkten zählten unter anderem Auf­enthaltsdauer sowie Kosten.

Ergebnisse zum primären Endpunkt konnte Stumm noch nicht vorstellen. Aber unter den Teilnehmenden sowohl aus der Interventions- als auch aus der Kontrollgruppe ließ sich zum Studieneinschluss bei 0,4 Prozent MRSA nachweisen, zum Zeitpunkt der statio­nären Aufnahme bei 0,2 Prozent. Die entsprechenden Angaben für MSSA lauteten 36,8 und 35,1 Prozent.

Darüber hinaus waren mehr als 80 Prozent der Patienten, die einen entsprechenden Fragebogen ausgefüllt hatten, mit der Aufklärung über die Sanierung zufrieden, wie Stumm berichtete. Es zeigte sich jedoch, dass haushaltsbezogene Maßnahmen wie täglicher Wechsel der Bettwäsche schwerer umzusetzen waren als Maßnahmen der Körperhygiene wie Zähneputzen und Mundspülungen jeweils dreimal täglich.

Auch den Einschätzungen der Beteiligten aus dem medizinischen Bereich zufolge hatte der Ablauf sehr gut funktioniert, so Stumm weiter. Das Pro­jekt solle deutschlandweit etabliert und das Screening auf Problemkeime könnte zum Beispiel in die allgemeine Vorsorgeuntersuchung integriert werden.

Stumm führte weiter aus, dass der Kranken­haus­aufenthalt in der Interventionsgruppe signifikant kürzer ausfiel als in der Kontrollgruppe. Auch hinsichtlich der Gesamtkosten sowohl ambulant plus stationär als auch nur stationär zeigte die Intervention Vorteile.

Die vorgestellten Ergebnisse zeigten, dass diese Intervention aus der Perspektive sowohl der Betroffenen als auch des medizinischen Personals umsetzbar ist, fasste Stumm zusammen.

Dabei sei es sinnvoll, den Umfang des Sanie­rungs­paketes zu überprüfen und gegebenenfalls zu reduzieren. Weiterhin gebe es erste Hinweise, so Stumm, auf zumindest gleichwertige Resultate hinsichtlich der Keimsanierung in beiden Gruppen bei geringeren Kosten für die Interventions­gruppe.

Eine wichtige Basis des Projekts war das lokale Netzwerk multiresistente Erreger (MRE). Denn eine gute medi­zinische Versorgung brauche gelebte Netzwerkstrukturen, wie Martin Grünewald, Chefarzt der Medizinischen Klinik I am Klinikum Heidenheim und Leiter des STAUfrei-Projekts, betonte.

Auch der niedergelassene Hausarzt Jörg Sandfort lobte das MRE-Netzwerk in Heidenheim, das seit einigen Jahren bestehe und nicht nur Klinik und Praxen, sondern etwa auch Pflegeheime oder ambulante Pflege­dienste einschließe.

Es diene der Diskussion und dem Erfahrungsaustausch auf Augenhöhe. Die Umsetzung der in „STAUfrei“ eva­luierten Maßnahmen erfordere Strukturen, hob auch Sandfort hervor, der zudem Vorsitzender der Kreisärzte­schaft Heidenheim ist. Hier seien auch die Patienten oder die Krankenkassen gefragt.

Auf die Bedeutung der Hygienebeauftragten der Pflege, den Link Nurses, in der Klinik und den eingeschlos­se­nen Praxen, wies Hans Eberhardt, Stationsleiter der Infektiologie am Klinikum Heidenheim und Projektmana­ger von „STAUfrei“, hin. So hätten die Link Nurses beziehungsweise medizinische Fachangestellte in den Praxen nicht zwingend ärztliche Tätigkeiten übernommen, was auch Grünewald unterstrich.

Ein weiterer wichtiger Aspekt sei Grünewald zufolge die Stärkung der Eigenverantwortung der Patienten, nicht zuletzt durch die umfassende Aufklärung und Unterstützung der Link Nurses. Das würden die Betroffe­nen auch wertschätzen, was an der hohen Zustimmungsrate zu sehen sei.

aks

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