Pneumologen befürworten Pläne des Ministeriums in der Beatmungsmedizin
Berlin – Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) hat sich hinter Vorschläge aus dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) für Veränderungen bei der Versorgung von Beatmungspatienten gestellt.
Der Gesetzesentwurf eines „Reha- und Intensivpflege-Stärkungsgesetzes“ sieht vor, dass erwachsene Beatmungspatienten künftig nur noch stationär oder in Intensivpflege-WGs versorgt werden können. Ziel von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ist es, die Versorgung der Betroffenen deutlich verbessern. Um höhere Qualitätsstandards zu verankern, soll eine Intensivpflege in der eigenen Wohnung künftig die Ausnahme sein.
Den Lungenärzten zufolge folgt der Gesetzentwurf den in den vergangenen Jahren von der DGP immer wieder vorgebrachten Empfehlungen, die Entwöhnungsbehandlung in den Kliniken effektiver zu strukturieren und zu regeln, die bundesweit bestehenden Weaningzentren zu stärken und erhöhte, einheitliche Qualitätsanforderungen an die ambulante Intensivpflege vorzugeben.
So hatte sich die DGP für eine nachhaltige Änderung der Versorgungsstruktur von intensivpflegebedürftigen Langzeitbeatmeten sowohl im stationären und als auch im ambulanten Sektor stark gemacht, um unnötige Beatmungen zu vermeiden, die dem Patienten entscheidende Lebensqualität nimmt und das Gesundheitssystem wirtschaftlich stark belastet.
„Viele der Patienten werden von Intensivstationen, in denen die Akutbehandlung durchgeführt wurde, in die Langzeitbeatmung entlassen, ohne dass eine Entwöhnbarkeit von dem Beatmungsgerät ausreichend überprüft wurde“, sagte DGP-Präsident Michael Pfeifer.
Weaning zu wenig angewendet
Das sogenannte Weaning könne in vielen Kliniken aufgrund fehlender Intensivkapazitäten und nicht vorhandener Expertise nicht ausreichend und nicht qualitativ hochwertig durchgeführt werden. „Das führt dazu, dass viele Patienten nach Entlassung außerklinisch weiter beatmet werden, teilweise ohne ausreichende Betreuung durch entsprechend ausgebildete Ärzte“, so Pfeifer.
Laut DGP bleiben so viele Menschen unnötig 24 Stunden am Tag an ihr Beatmungsgerät gebunden, obwohl die Erfolgsaussichten einer Beatmungsentwöhnung in spezialisierten Weaningzentren sehr gut seien. Demzufolge konnten in den mittlerweile 46 im WeanNet von der DGP zertifizierten Entwöhnungszentren zwei Drittel der behandelten Patienten erfolgreich vom Beatmungsgerät entwöhnt werden. Knapp ein Fünftel brauche keine invasive Beatmung über die Luftröhre mehr, sondern wurde mit einer nichtinvasiven Methode weiterbehandelt.
Der geplante Gesetzentwurf hat nicht nur Zustimmung, sondern viel Protest hervorgerufen. Vor allem Betroffenenverbände und Pflegevertreter hatten das Vorhaben scharf kritisiert. Der Verein AbilityWatch, der sich als Teil einer modernen Behindertenbewegung in Deutschland versteht, sprach von einem „Skandal“. Der vorliegende Gesetzentwurf missachte die Würde von Menschen, dringe in ihren Alltag ein und diskriminiere sie, schreibt der Verein auf seiner Internetseite.
Für Betroffene bedeute die Reform, für immer in vollstationären Einrichtungen zu leben. „Der 40-jährige Kampf behinderter Menschen für ein Leben daheim wäre verloren.“ Zudem ist aus Sicht des Vereins zu befürchten, dass viele Betroffene zukünftig so lange wie möglich eine Beatmung hinausschieben würden – aus Angst, ihr ambulantes, selbsständiges Leben aufgeben zu müssen. AbilityWatch sieht in den Plänen ein reines Kosteneinsparinstrument.
Grundsätzliche Kritik äußerten auch Pflegevertreter. „Mit der neuen Gesetzesinitiative des Bundesgesundheitsministeriums erreicht man in Zukunft lediglich, dass aufgrund einiger bekannter Betrugsfälle gleich eine ganze Berufsgruppe implizit unter Generalverdacht gestellt wird und die ambulante häusliche Intensivpflege zu einem Auslaufmodell abstumpft“, bemängelte Markus Mai, Präsident der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz.
Vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) hieß es, die Pläne bedürften erheblicher Nachbesserungen. „In einem Schnellschuss werden für eine spezielle Gruppe von kranken Menschen weitreichende Leistungseinschnitte vorgeschlagen“, sagte Peter Tackenberg, stellvertretender Geschäftsführer des DBfK. Die Einschränkung der Wahlfreiheit werde vielen Patientengruppen nicht gerecht, etwa Patienten mit ALS oder einem hohen Querschnitt.
„Diese können nicht von der Beatmung entwöhnt werden und haben nicht nur das Recht auf eine professionelle Pflege, sondern auch auf Inklusion und Selbstbestimmung. Patienten dürfen nicht aus rein wirtschaftlichen Gründen genötigt werden, in Pflegeeinrichtungen oder Intensivpflege-Wohneinheiten zu ziehen“, erklärte Tackenberg. Eine Petition gegen den Gesetzentwurf haben inzwischen mehr als 63.000 Menschen unterschrieben.
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