Polinnen wehren sich gegen Verschärfung des Abtreibungsrechts

Warschau – Die Regierung in Polen treibt zum zweiten Mal in ihrer Amtszeit eine Verschärfung des Abtreibungsrechts voran. Ein Parlamentsausschuss stimmte kürzlich für weitere Beratungen über den umstrittenen Gesetzestext, der die Abtreibung von Föten wegen Missbildungen oder einer erwarteten Behinderung verbieten soll. Er stammt aus Feder der Pro-Life-Bewegung „Stoppt Abtreibungen“.
Frauenrechtlerinnen sehen darin ein „drakonisches Gesetz“, das Polinnen um ihre Selbstbestimmung bringt. „Fundamentalisten wollen der Gesellschaft ein Abtreibungsverbot aufzwingen“, kritisiert das Bündnis für Frauenrechte und Familienplanung Federa in Warschau. Um das zu verhindern, hat die Organisation gemeinsam mit anderen NGOs für morgen zu Protesten aufgerufen.
Abtreibungsgegner in der Minderheit
Die Aktivisten sorgen sich, denn die mit absoluter Mehrheit regierende Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) will die Gesetzesverschärfung unterstützen. „Die PiS war, ist und wird immer dafür sein, Leben zu schützen“, teilte die nationalkonservative Partei mit. Der Schutz ungeborenen Lebens hat für Abtreibungsgegner Priorität. „Es ist ein unmenschliches Verbrechen, das in Polen an unschuldigen Kindern verübt wird, nur weil sie unter Verdacht stehen, krank oder behindert zu sein“, kritisiert Kaja Godek von der Bewegung „Stoppt Abtreibungen“ die derzeitigen Gesetze.
Die Abtreibungsgegner in Polen sind Umfragen zufolge mit elf Prozent in der Minderheit. Die meisten Polen befürworten laut einer Studie des Meinungsforschungsinstituts SW Research vom Januar eine Lockerung der Gesetze. Entsprechende Gesetzesinitiativen lehnte das Warschauer Parlament aber bereits ab. Ein Kompromiss wäre für viele (etwa 25 Prozent), es bei den derzeitigen Gesetzen zu belassen.
Polen hat europaweit die mitunter strengsten Regelungen für Schwangerschaftsabbrüche. In dem katholisch geprägten Land sind diese nur erlaubt, wenn die Frau vergewaltigt wurde oder ihr Leben in Gefahr ist – und bislang auch, wenn das Kind eine schwere Behinderung haben wird.
Regierungsangaben zufolge werden in Polen jährlich bis zu 1.000 Schwangerschaften mit Abtreibung beendet. Die Dunkelziffer schätzen Frauenrechtlerinnen sogar auf bis zu 150.000 Fälle. „Eine legale Abtreibung ist schon jetzt kaum möglich“, sagt Federa-Aktivistin Liliana Regala. Viele Mediziner würden den Eingriff verweigern. Zu groß sei ihre Angst, ins Visier von Ermittlern zu geraten oder Zielscheibe der Proteste von Abtreibungsgegnern zu werden.
Strengere Gesetze würden die Situation verschlimmern, meinen Oppositionspolitiker. Die Initiative der Pro-Life-Gegner werde Frauen leiden lassen, nicht aber die Zahl der Abtreibungen senken, sagt Monika Wielichowska von der Bürgerplattform PO. Die Kirche argumentiert anders: „Frauen sollten in der Gesellschaft großen Respekt erfahren und sie haben das Recht, über ihr Leben zu entscheiden – aber nicht auf Kosten des Lebens eines unschuldigen Kindes“, sagt der Sprecher der polnischen Bischofskonferenz Pawel Rytel-Andrianik. Auch unter dem neuen Gesetz hätten Frauen eine Wahl. Sie könnten sich demnach zur Adoption entscheiden. „Niemand zwingt sie dazu, das Kind großzuziehen“, meint der Geistliche.
Positionen festgefahren
Federa-Aktivistinnen halten dagegen: „Wir lassen nicht zu, dass Frauen zur Geburt gezwungen werden.“ Sie prophezeien: „Wenn wir den Zugang zur Abtreibung weiter einschränken, verurteilen wir Frauen und ihre Familien zu riesigem Leid.“ Die Organisation warnt vor den Folgen der Geburt eines schwer kranken oder gar zum Sterben verurteilten Kindes für die Psyche der Frauen. Sie verweist auch auf Risiken, die illegale Schwangerschaftsabbrüche bergen. Vor allem ärmere Frauen griffen oft auf Hausmittel zurück und setzten ihr Leben aufs Spiel. Der Kleiderbügel ist eines der Symbole ihres Protests.
Viele Polinnen wollen die Gesetzesverschärfung aufhalten. Dass die PiS bereits 2016 überraschend von einem Abtreibungsverbot abrückte, lässt sie hoffen. Damals gingen Zehntausende Menschen auf die Straße, um sich gegen ein umstrittenes Gesetz zu wehren, das sogar Haftstrafen für Frauen und Ärzte vorsah. Auch jetzt sagte der zuständige Parlamentsausschuss nach Ausbruch der Debatte seine Sitzungen vorerst ab. Die Protestorganisatoren geben trotzdem nicht nach. Frauen müssten selbst über ihr Leben entscheiden, bekräftigen sie und appellieren an die Politiker: „Wir werden das so lange wiederholen, bis ihr das versteht“.
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