Politik will Antibiotikaproduktion nach Europa zurückholen

Berlin – Vertreter von Politik und Arzneimittelindustrie sprechen derzeit darüber, wie die Produktion von Arzneimitteln, insbesondere von Antibiotika, wieder nach Europa zurückgeholt werden kann. „Das ist ein Thema des Pharmadialogs, den wir zurzeit führen“, sagte der Arzneimittelexperte der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Hennrich, kürzlich auf dem Parlamentarischen Frühlingsfest von Pro Generika in Berlin.
Es lägen derzeit drei bis vier konkrete Lösungsmöglichkeiten auf dem Tisch, wie eine Rückverlagerung der Antibiotikaproduktion finanziert werden könnte. „Da sind wir noch in der Meinungsbildungsphase“, so Hennrich. In jedem Fall mache es Sinn, sich dabei in der Europäischen Union abzusprechen. Erst, wenn auf europäischer Ebene nichts passiere, könne man über einen nationalen Alleingang nachdenken.
Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende von Pro Generika, Christoph Stoller, erklärte, dass 1990 noch 80 Prozent der Wirkstoffe in Europa produziert worden seien. Heute seien es nur noch 20 Prozent. „Die Produktion nach Europa oder nach Deutschland zurückzuholen, ist natürlich denkbar“, erklärte er. „Die Frage ist: Was ist uns eine sichere Arzneimittelversorgung wert?“
Stoller zitierte den Präsidenten des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), Karl Broich, mit den Worten: Wenn es in Asien eine große Umweltkatastrophe gäbe, die die Produktion von Arzneimittelwirkstoffen beeinflusse, stürben drei Monate später die ersten Patienten in Deutschland.
Kontrollen in den Herkunftsländern verbessern
Im vergangenen Jahr wurden Verunreinigungen verschiedener Chargen des Wirkstoffs Valsartan entdeckt, der in einer chinesischen Anlage produziert worden war. Derzeit befindet sich das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) im parlamentarischen Prozess, in dem unter anderem durch verstärkte Befugnisse des BfArM auf den Valsartanskandal reagiert werden soll.
Kordula Schulz-Asche (Grüne) schlug vor, die Kontrollen in den Herstellungsländern auszuweiten. „Die Frage ist, ob die Produktionsbedingungen in Asien unseren Ansprüchen genügen“, sagte sie. „Bei den Antibiotika ist das heute teilweise nicht so. Deshalb sollten in den Herstellungsländern Mitarbeiter des BfArM und des Paul-Ehrlich-Instituts die Kontrollen begleiten oder selbst durchführen können.“
Um die Gefahr von Lieferengpässen durch den Ausfall von Rohstoffen für Fertigarzneimittel zu reduzieren, forderte Stoller eine Reform der Rabattvertragsregelung. „Krankenkassen sollten keine Rabattverträge exklusiv mit einem einzigen Hersteller mehr abschließen dürfen“ sagte er. „Künftig sollten nur die Hersteller berücksichtigt werden dürfen, die mindestens drei verschiedene Wirkstoffquellen haben beziehungsweise ihre Wirkstoffe aus Europa beziehen.“
Im ursprünglichen GSAV-Entwurf war vorgesehen, dass die pharmazeutischen Unternehmen in Haftung genommen werden können, wenn sie ein Arzneimittel, für das sie einen Rabattvertrag abgeschlossen haben, nicht liefern können. Zwischenzeitlich wurde der Haftungsanspruch auf die Großhändler übertragen. Denn „einen Haftungsanspruch gegen den Hersteller zu bekommen, ist rechtlich nicht so einfach“, sagte Hennrich. Wenn es jedoch rechtssicher machbar sei, solle die Haftung wieder auf die Hersteller übertragen werden.
„Wenn im Vorhinein klar geregelt ist, wann ein Haftungsfall eintritt und es dabei nicht um Druckfehler auf der Packung geht, unterstützen wir dieses Vorhaben“, sagte Stoller.
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