Politik

Post COVID: Kein belegbarer Nutzen von Apherese und Sauerstofftherapie

  • Donnerstag, 27. April 2023
/nadyarakoca, stock.adobe.com
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Berlin – Die Wirkung der HELP-Apherese und der Hyperbaren Sauerstofftherapie zur Behandlung von Long- und Post-COVID-Erkrankten hat der Medizinische Dienst Bund (MD Bund) als unklar bewertet. Das gab der MD Bund heute bei der Veröffentlichung der vierten repräsentativen Umfrage von Versicherten zu Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) bekannt.

Das wissenschaftliche Team des sogenannten IGeL-Monitors hat für beide Therapien keinen belegbaren Nutzen gefunden. Die Nebenwirkungen seien jedoch ebenfalls gering. Allerdings fehlt es an einer ausreichenden Studienlage.

In einer Literaturrecherche habe das wissenschaftliche Team des IGeL-Monitors zur Therapie von Long oder Post COVID mit hyperbarem Sauerstoff eine Einzelstudie finden können, aus der sich kein Nutzen habe ableiten lassen. Für die HELP-Apherese findet sich laut IGeL-Monitor dagegen gar keine Studie.

HELP-Apherese und Hyperbare Sauerstofftherapie nur in Studien

Die beiden Therapien sollten daher aktuell lediglich in Studien angewandt werden, sagte Michaela Eiker­mann, Leiterin Evidenzbasierte Medizin beim MD Bund. „Für die Behandlung weiterer Patientinnen und Patienten stehen dann wichtige Informationen zum möglichen Nutzen und Schaden zur Verfügung.“ Auch die medizinischen Fachgesellschaften raten in der Leitlinie S1-Leitlinie Long/ Post-COVID von einer generellen Behandlung mithilfe dieser Therapien ab.

Eikermann forderte mehr Fördermöglichkeiten von Studien. Es müsse mehr Druck gemacht werden, damit nicht flächendeckend Therapien, wie die HELP-Apherese und die Hyperbare Sauerstofftherapie, als Heilver­such angeboten werden würden.

Aktuell sind laut MD Bund zurzeit zwei Studien zur hyperbaren Sauerstofftherapie geplant. Für die HELP-Apherese fänden sich in Studienregistern jedoch weiterhin keine geplanten Studien. Eine Studiengruppe bereite zurzeit eine Studie zur HELP-Apherese vor, diese finde sich bislang allerdings in keinem Register, sagte Eikermann.

Kosten im sechsstelligen Bereich

Zusätzlich gehen die Therapien mit sehr hohen Kosten einher. Dem IGeL-Monitor zufolge kann die Hyperbare Sauerstofftherapie mit 15 bis 40 Sitzungen zwischen 4.900 und 15.000 Euro kosten. Bei der HELP-Apherese würden in der Regel vier bis fünf Sitzungen zu jeweils 1.300 bis 2.300 Euro durchgeführt.

Neben der wissenschaftlichen Bewertung von Therapien hat der MD Bund zum vierten Mal eine repräsenta­­tive Umfrage mit knapp 6.000 Versicherten im Alter von 20 bis 69 Jahren zu IGeL und zum Umgang damit in den ärztlichen Praxen befragt.

Dabei waren spezielle IGeL zur COVID-19-Pandemie das erste Mal aufgeführt, die im Vergleich zu anderen Leistungen einen geringeren Teil ausmachten.

Insbesondere Ultraschalluntersuchungen der Gebärmutter und/oder Eierstöcke haben Versicherte in den vergangenen drei Jahren selbst bezahlt (14 Prozent). Das sei nicht ungefährlich, denn hier könne es zu vielen falsch positiven Ergebnissen insbesondere bei jüngeren Frauen kommen, kritisierte Stefan Gronemeyer, Vorstandsvorsitzender beim MD Bund.

IGeL können medizinisch schaden

Frauen würden in Angst versetzt, ohne dass die Untersuchungen tatsächlich einen medizini­schen Nutzen aufweisen. Diese Leistung könne medizinisch sogar schaden, denn danach komme es zu weite­ren Eingriffen, die den Patientinnen schaden würden, so Gronemeyer. Der IGeL-Monitor bewertet die Leistung mit „negativ“ und „tendenziell negativ“.

An zweiter Stelle mit elf Prozent gaben Versicherte an, Augeninnendruckmessungen selbst bezahlt zu haben. An dritter Stelle folgen Abstriche zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs (neun Prozent). Drei Viertel der Befragten gaben außerdem an für die IGeL-Leistungen zwischen 15 und 250 Euro zu bezahlen. Sehr wenige zahlten mehr als 500 Euro je Leistung.

Fast 80 Prozent der Befragten gaben an, die Selbstzahlerleistungen zu kennen. Die überwiegende Mehrheit wurde dabei über den Nutzen der IGeL informiert (78 Prozent), über mögliche Schäden waren es nur noch 56 Prozent.

Dabei weiß nur jeder Vierte (28 Prozent), dass es verbindliche Regeln beim Verkauf von IGeL gibt. 18 Prozent hingegen gaben an, dass die Behandlung mit einer Kassenleistung vom Kauf einer IGeL abhängig gemacht wird.

„Neu ist, dass jüngere Versicherte IGeL-Leistungen wichtig finden“, sagte Gronemeyer. Vor einigen Jahren wurden die Selbstzahlerleistungen vor allem an Versicherte ab 50 Jahren verkauft. Beim IGeL-Report 2023 gaben 73 Prozent der 20 bis 39-Jährigen an, die Leistungen zu kennen. 2020 waren es noch 63 Prozent.

Die jüngere Altersgruppe ist der Umfrage zufolge zudem bereit, für die Leistungen auch Geld auszugeben und nutzt Pauschal- und Kombiangebote in den Arztpraxen. Deshalb sei es wichtig, junge Menschen entsprechend zu informieren, etwa über den IGeL-Podcast des MD Bund, betonte Gronemeyer.

Selbsreflexion der Ärzteschaft gefordert

Gronemeyer forderte eine stärkere kritische Selbstreflexion der Ärzte. Leistungen, wie etwa die Ultraschall­untersuchung der Eierstöcke dürften gar nicht erst verkauft werden. Er kritisierte darüber hinaus, dass Arzt­praxen für IGeL Personal und Zeit aufwenden, die dann wiederum nicht für die vertragsärztliche Versorgung zur Verfügung stünde.

Zudem gebe es ausreichend Regeln, die die Patientenrechte sichern, etwa wie der Verkauf von IGeL-Leistun­gen verkauft werden sollte oder wie die Aufklärung erfolgen sollte, sagte Gronemeyer. Auch die Ärzteschaft selbst habe dazu ausreichend Regularien verfasst.

Die Bundesärztekammer und die Kassenärztliche Bundesvereinigung haben bereits vor Jahren einen IGeL-Ratgeber herausgegeben, mit sich Patientinnen und Patienten informieren können, warum gesetzlich Versicherte dafür zahlen müssen und worauf Sie achten sollten.

„Die Regelungen aber werden nicht ernst genug genommen und nicht als verbindlich angesehen werden.“ Die Ärzteschaft sei deshalb aufgefordert, etwa bei Fortbildungen klar zu machen, dass die Regelungen zu Selbst­zahlerleistungen auch eingehalten werden müssen, forderte Gronemeyer.

cmk/mim

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