Privatversicherte erhalten häufiger neue Medikamente

Berlin – Neun der zehn umsatzstärksten Arzneimittel, die 2016 neu zugelassen wurden, erreichten im ersten Jahr nach der Zulassung deutlich höhere Marktanteile in der Privaten Krankenversicherung (PKV) als es dem Anteil der PKV-Versicherten an der Gesamtbevölkerung von elf Prozent entspricht. Sie lagen zwischen 13 und 27 Prozent.
2014 lag der PKV-Marktanteil bei Medikamenten, die in diesem Jahr neu zugelassen wurden, bei 33 Prozent. In den beiden Folgejahren sank er auf 14 und 15 Prozent, weil sich in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) die Verordnungszahlen der betreffenden Medikamente fast verdoppelten. Das geht aus der jährlichen Analyse der Arzneimittelversorgung von Privatversicherten des Wissenschaftlichen Instituts der PKV hervor, die heute in Berlin vorgestellt wurde.
Institutsleiter Frank Wild begründete die unterschiedliche Verordnungsweise bei privat und gesetzlich versicherten Patienten mit den regulatorischen Unterschieden in beiden Systemen. Während den Ärzten im Rahmen der GKV beispielsweise bei unwirtschaftlicher Verordnung Regresse drohten, gebe es diese oder andere Steuerungsmechanismen in der PKV nicht.
Ärzte hielten sich deshalb bei gesetzlich versicherten Patienten im ersten Jahr der Markteinführung mit der Verordnung von neuen Arzneimitteln zurück. Denn während dieser Zeit laufe die frühe Nutzenbewertung nach dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) noch. Erst nach deren Abschluss und dem Ende der anschließenden Preisverhandlungen zwischen Hersteller und GKV-Spitzenverband wüssten die Ärzte, ob eine Verordnung als wirtschaftlich gelte. Entsprechend erhöhten sich dann auch die Verordnungszahlen zulasten der GKV.
Anteil der Generikaverordnungen in der PKV wächst
Wirtschaftlichkeitsvereinbarungen und Rabattverträge, die für die Versorgung von GKV-Versicherten, nicht aber für die von PKV-Patienten gelten, führten auch zu unterschiedlichen Generikaquoten in beiden Systemen, sagte Wild. Während der Anteil der Generikaverordnungen 2016 in der PKV bei 65 Prozent lag, betrug er in der GKV fast 96 Prozent. Allerding nimmt der Anteil der Generikaverordnungen bei PKV-Patienten Wild zufolge seit Jahren stetig zu. Denn viele PKV-Unternehmen informierten ihre Versicherten gezielt über mögliche preiswerte Alternativen zu den Originalpräparaten.
Die Situation bei den biotechnologisch hergestellten Wirkstoffen sei ähnlich, sagte Wild. Der Anteil der Biosimilars im Vergleich zu den Originalpräparaten sei in der PKV bei allen Wirkstoffen niedriger als in der GKV, wobei es allerdings große regionale Unterschiede gebe. Über deren Ursache konnte Wild nichts sagen. Dies soll Gegenstand künftiger Untersuchungen sein.
Drei Milliarden Euro für Arzneimittel
Mit knapp drei Milliarden Euro lagen die Arzneimittelausgaben der PKV 2016 um rund vier Prozent höher als im Vorjahr. Der Anstieg fiel dem PKV-Verband zufolge damit niedriger aus als im Vorjahr mit 5,7 Prozent aber etwas höher als in der GKV, wo der Ausgabenanstieg gut drei Prozent betrug. In der langfristigen Betrachtung habe sich die Ausgabenentwicklung der PKV allerdings der der GKV angenähert, betonte Wild.
Er machte dafür unter anderem den AMNOG-Prozess verantwortlich. Denn von den in dessen Rahmen verhandelten Erstattungspreisen für neue Medikamente profitierten auch die PKV-Versicherten, sagte der Institutsleiter. Grundlage der Arzneimittelverordnungsanalyse waren Wild zufolge die Rechnungsdaten des Jahres 2016 von 18 PKV-Unternehmen, die zusammen 91 Prozent der PKV-Versicherten repräsentierten. Für den Vergleich mit der GKV seien vor allem Daten des Arzneiverordnungsreports herangezogen worden.
„Es gibt einen wirksamen Wettbewerb zwischen den Systemen der PKV und der GKV, der allen Versicherten zugutekommt“, betonte Volker Leienbach, Direktor des Verbandes der Privaten Krankenversicherung. Dadurch, dass Innovationen im Rahmen der PKV ohne große Hindernisse eingesetzt werden könnten, etablierten sie sich schneller am Markt und seien damit auch für gesetzlich Krankenversicherte schneller verfügbar.
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