Problematische Mediennutzung Minderjähriger nimmt weiter zu

Berlin – Knapp ein Viertel der 10- bis 17-Jährigen in Deutschland zeigt ein riskantes Nutzungsverhalten von Sozialen Medien. Das ist das aktuelle Ergebnis einer Längsschnittstudie der DAK-Gesundheit und des Universitätsklinikums Hamburg Eppendorf (UKE). Etwa 1,3 Millionen Mädchen und Jungen bewegen sich demnach in einem gefährlichen Nutzungsbereich – dreimal so viele wie noch 2019.
Der Analyse zufolge verbringen Kinder und Jugendliche an einem normalen Wochentag durchschnittlich 150 Minuten in Sozialen Netzwerken. 2019 waren es 123 Minuten. Am Wochenende sind es mit 224 Minuten sogar mehr als dreieinhalb Stunden – gegenüber 191 Minuten im Jahr 2019. Im Fokus der Untersuchung standen Soziale Medien wie Instagram, Tiktok, Youtube oder Messengerdienste.
„Die Ergebnisse zeigen leider deutlich, dass die Mediensucht bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland während und nach der Coronapandemie erheblich zugenommen hat“, erklärte Michael Hubmann, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzt*innen, heute auf der Pressekonferenz zur Veröffentlichung der Ergebnisse.
„Soziale Medien sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken“, ergänzte DAK-Vorstandschef Andreas Storm. Es brauche aber mehr Aufklärung über den Reiz und die Risiken von Sozialen Medien sowie zusätzliche Präventionskampagnen und Hilfsangebote für Betroffene.
Ein riskantes Mediennutzungsverhalten definiert sich laut ICD-11-Kriterien unter anderem durch einen häufigen und langen Gebrauch mit einem erhöhten Risiko für schädliche Folgen für die physische oder psychische Gesundheit.
Der Untersuchung zufolge berichten Mädchen und Jungen mit einer problematischen Social-Media-Nutzung auch häufiger von depressiven Symptomen, mehr Ängsten und einem höheren Stresslevel als unauffällige Nutzerinnen und Nutzer. Gleichzeitig fehlten ihnen Regulierungsstrategien, um mit den negativen Emotionen und Stress umzugehen.
Es beginne ein Teufelskreis, erläuterte Rainer Thomasius, Studienleiter und Ärztlicher Leiter am Deutschen Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters am UKE Hamburg: „Psychisch belastete Jugendliche neigen oftmals vermehrt zu problematischem Nutzungsverhalten bei sozialen Medien. Gleichzeitig führt die übermäßige Nutzung jedoch zu neuen Problemen und erhöhten psychischen Belastungen.“
Persönliche, familiäre und schulische Ziele träten in den Hintergrund und alterstypische Entwicklungsaufgaben würden nicht angemessen gelöst. „Ein Stillstand in der psychosozialen Reifung ist die Folge“, so Thomasius.
Einen positiven Trend verzeichnet die Studie im Bereich Streaming und Gaming – hier gingen die Nutzungszeiten und die Zahl der mediensüchtigen Kinder und Jugendlichen wieder zurück. An Werktagen verbringen junge Menschen im Schnitt demnach 98 Minuten und an Wochenenden 168 Minuten mit digitalen Spielen.
Damit liegen sie fast wieder auf dem Niveau von vor der Pandemie. Erstmals seit dem Beginn der Pandemie zeigt sich darüber hinaus ein deutlicher Rückgang suchtartigen Spielens.
Die durchschnittliche Streamingdauer sank im September 2023 auf 98 Minuten pro Werktag – im Mai 2021 waren es 170 Minuten gewesen. Der Anteil pathologischer Nutzer beim Streaming halbierte sich im Vergleich zum Vorjahr auf 1,2 Prozent.
Insgesamt einig waren sich die Fachleute darüber, dass die Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen, aber auch die der Eltern gefördert werden müsse. Hubmann zufolge könne auch ein Mediensuchtscreening in kinder- und jugendärztlichen Praxen dabei unterstützen, eine riskante Nutzung von Computerspielen und Social Media frühzeitig zu erkennen.
Die DAK-Gesundheit übernimmt im Rahmen eines Pilotprojekts aktuell in fünf Bundesländern die Untersuchungen zur Früherkennung von Mediensucht. Zum Einsatz kommt dabei ein Fragebogen, der im Rahmen der J-Untersuchung von Kindern und Jugendlichen ausgefüllt wird.
Bei einem auffälligen Ergebnis erhalten Betroffene eine Beratung und den Hinweis zu einer Onlineanlaufstelle des UKE, in schwerwiegenden Fällen werden sie an eine psychiatrische Praxis für Kinder und Jugendliche überwiesen.
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