Vermischtes

Prostitutions­gesetze: Verstöße gegen Grund- und Menschenrechte

  • Mittwoch, 28. Juni 2023
/rafalbloch, stock.adobe.com
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München – Die Gesetzgebung zu Prostitution in Deutschland ist einer neuen Analyse zufolge offenbar ver­fassungswidrig und hat zu mehr Menschenhandel und organisierter Kriminalität geführt. Die geltenden Re­gelungen würden gegen Grund- und Menschenrechte verstoßen, sagte Elke Mack, Professo­rin für Sozialwis­senschaft an der Universität Erfurt und Mit-Initiatorin der Studie, bei der Präsentation der Ergebnisse gestern am Deutschen Institut für angewandte Kriminalitätsanalyse in München.

Seit Einführung des Prostitutionsgesetzes 2002 ist Prostitution in Deutschland nicht mehr sittenwidrig, son­dern gilt als normales Gewerbe. Die damalige rot-grüne Koalition wollte mit dem neuen Gesetz die rechtliche und soziale Lage der Prostituierten verbessern – aus Sicht der neuen Studie passierte das Gegenteil.

Statt die Opfer zu schützen, sei die Stellung der Bordellbetreiber, der Sexindustrie und der Freier gestärkt worden, so das Fazit der Autoren.

Bei der Gesetzgebung sei vor allem die Menschenwürde nicht ausreichend beachtet worden, sagte Verfas­sungsrechtler Ulrich Rommelfanger. Er und seine Co-Autoren fordern eine Totalrevision, also eine grundlegen­de Neufassung des Gesetzes. „Es reicht nicht, noch ein Gesetz nachzuschieben, wie man das mit dem Prosti­tuiertenschutzgesetz gemacht hat.“

Das 2017 verabschiedete Gesetz beinhaltet vor allem gewerberechtliche Vorgaben: Bordelle benötigen seit­dem eine Betriebserlaubnis, Prostituierte sind verpflichtet, ihre Tätigkeit anzumelden und regelmäßig zur Ge­sundheitsberatung zu gehen. „Wir brauchen eine neue Regelung, eine ganz neue Herangehensweise“, so Rommel­fanger.

Frauenrechtlerinnen fordern seit Jahren ein „Sexkaufverbot“ in Deutschland. Auch die Autoren der neuen Studie sprechen sich für dieses „Nordische Modell“ aus, das in Schweden, Norwegen und Frankreich gilt und wonach nur die Person, die für Sex Geld bezahlt, strafrechtlich zur Verantwortung gezogen wird. „Beim Sex­kaufverbot werden Täter bestraft, ohne dass die Opfer stigmatisiert werden“, erklärte Mack. Der Fokus müsse außerdem auf Prävention und einer Ausstiegshilfe für Prostituierte liegen.

Für die Studie wurden Interviews mit Experten aus der Justiz, Medizin, sozialen Arbeit, aber auch mit Prostitu­ierten und Freiern geführt und ausgewertet. Nach Angabe der Autoren ist es die erste umfassende rechtliche, rechtsethische und verfassungsrechtliche Überprüfung der bestehenden Prostitutionsgesetze in Deutschland. Das Buch ist im Nomos Verlag erschienen.

dpa

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