Politik

Protest gegen Lauterbach-Äußerun­gen zu Sprechstunden­zeiten

  • Freitag, 21. Dezember 2018
Karl Lauterbach (SPD) auf dem Weg zu den Sondierungsgesprächen vor der SPD-Zentrale in Berlin /dpa
Karl Lauterbach /dpa

Berlin – Der Ärger um die Sprechstundenzeiten der niedergelassenen Vertragsärzte geht in die nächste Runde. Hintergrund sind Forderungen des stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden des GKV-Spitzenverbands, Johann-Magnus von Stackelberg, zu mehr Öffnungszeiten an Abenden und Samstagen. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach stütze gestern den Wunsch der Krankenkassen. Sollten die Ärzte nicht selbst einlenken, müsse über gesetzliche Lösungen nachgedacht werden, sagte er gestern der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Der Ruf der Krankenkassen nach mehr Sprechstunden sei „richtig und berechtigt“. Viele Ärzte würden weder mittwochs noch freitags an den Nachmittagen arbeiten, sagte er. Und weiter: „Der ein oder andere Arzt wird ab Mittwochnachmittag auf dem Golfplatz gesehen“.

Um das Termin-Angebot rasch auszuweiten, will der Gesundheitspolitiker die Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) stärken. In diesen sind Praxen verschiedener Fachärzte untergebracht. „Dort könnten sich Ärzte ablösen, sodass Öffnungszeiten von 6 bis 23 Uhr denkbar sind“, sagte Lauterbach. In den MVZ sei „eine Art Schichtbetrieb“ für Mediziner möglich, was für Kassenpatienten „ein großer Fortschritt wäre“.

Die Forderung der Vertragsärzte nach einem Ende der Budgetierung wies er zurück. Es sei Sache der Ärzte, weniger überflüssige Termine für Routinepatienten anzubieten und sich auf die Versorgung wirklich hilfsbedürftiger Patienten zu konzentrieren, erklärte er der NOZ.

Der NAV-Virchowbund bezeichnete die Äußerungen Lauterbachs heute als „absichtlich grobes Foul“, das vom eigenen Versagen ablenken solle. Sowohl von Stackelberg als auch Lauterbach seien „noch niemals in der Versorgung kranker Menschen tätig“ gewesen, sagte Dirk Heinrich, Bundesvorsitzender des NAV-Virchow-Bunds. Mit dem organisierten Not- und Bereitschaftsdiensten stünden die Ärzte auch an den Feiertagen Patienten zur Verfügung, während Lauterbach diese auf den Golfplätzen vermute. „Zynischer und niederträchtiger kann man eine Berufsgruppe nicht diskreditieren“, so Heinrich.

Er wies darauf hin, dass von Stackelberg über die Budgetierung seit Jahren die Bezahlung ärztlicher Leistungen verweigere. „Wer auf 29,3 Milliarden Euro Überschüssen sitzt, ambulante ärztliche Leistungen für seine Versicherten abruft und diese nicht bezahlt, verhält sich wie ein Zechpreller“, so Heinrich. Und wenn dieser jetzt auch noch mehr Sprechstunden fordere, erinnere ihn das an einen Zechpreller, der ein ums andere Mal eine Lokalrunde schmeißen wolle.

„Und Professor Lauterbach will nur davon ablenken, dass von seinem Lieblingsprojekt aus der Vergangenheit, der Bürgerversicherung, inzwischen nichts mehr übriggeblieben ist, was seine SPD aus dem 15-Prozent-Tal herausholen könnte“, erklärte Heinrich. Er habe Lauterbach in einem offenen Brief aufgefordert, sich bei den niedergelassenen Ärzten zu entschuldigen.

Auch der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg, Walter Plassmann, hat empört auf die Äußerung reagiert, die Ärzte würden zu viel Zeit auf dem Golfplatz verbringen. „Es ist eine Beleidigung des ärztlichen Engagements, mit einer solchen dummdreisten Stimmungsmache die Agenda der großen Medizinischen Versorgungszentren befördern zu wollen“, erklärte Plassmann.

Lauterbachs Suada sei ein „Schlag ins Gesicht“ für alle Ärztinnen und Ärzte, die während der bevorstehenden Feiertage den Notdienst für die Bevölkerung aufrechterhalten würden. Plassmann: „Herr Lauterbach hätte sich besser bei den Ärzten bedanken sollen, die die medizinische Versorgung sicherstellen, während er selbst auf dem Sofa sitzen oder Golf spielen gehen kann.“

„Unsere Ärztinnen und Ärzte arbeiten zu großen Teilen bereits bedenklich nahe an der Erschöpfungsgrenze“, sagte Annette Rommel, 1. Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen. „Wenn mit neuen Gesetzen noch mehr Leistung aus dem System gepresst werden soll, werden uns noch mehr Ärzte aus der Versorgung wegbrechen, die der Belastung einfach nicht mehr gewachsen sind.“ Das läge nicht im Interesse der Patienten.

Thomas Schröter, 2. Vorsitzender der KV Thüringen, machte deutlich, dass die Bemühungen der KV um die Sicherung des ärztlichen Nachwuchses für Praxen und Medizinische Versorgungszentren im Land durch die Verweigerung des Landes Thüringen ausgebremst würden, die Zahl der Medizinstudienplätze zu erhöhen. „Daher wird das gegenwärtige Niveau der Versorgung in Zukunft nur schwer zu halten sein, die Forderungen nach noch mehr Sprechstundenservice sind populistisch und realitätsfern“, sagte er.

may/EB

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