Psychotherapie: Sprechstundenpflicht für Patienten könnte später kommen
Berlin – Vertreter der Deutschen Psychotherapeuten Vereinigung (DPtV) äußerten sich letzte Woche zuversichtlich, aber auch besorgt hinsichtlich der geplanten Änderung der Psychotherapie-Richtlinie. „Durch die geplante Sprechstundenpflicht für Patienten wird ein Flaschenhals entstehen,“ gab Barbara Lubisch im Vorfeld des DPtV-Kongresses in Berlin zu Bedenken. Der Zugang der Versicherten zur ambulanten Psychotherapie sei gefährdet, sagte die Bundesvorsitzende der DPtV. Diese Problematik sei auch dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) bekannt, das daraufhin in einer Beanstandung der Richtlinie unter anderem forderte, die Sprechstundenpflicht für Patienten aufzuschieben. Ende November soll der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) über die Änderungen entscheiden.
Anfang September äußerte das BMG seine Bedenken hinsichtlich der Änderung der Psychotherapie-Richtlinie im Rahmen einer Teilbeanstandung. Darin heißt es: Um den Zugang der Patienten zur Psychotherapie sicherzustellen sei „zwingend erforderlich, dass der G-BA auf die Benennung der psychotherapeutischen Sprechstunde als freiwillige „Kann“-Leistung verzichte (...). Wenn der G-BA an der grundsätzlich verpflichtenden Inanspruchnahme einer Sprechstunde als Zugangsvoraussetzung für Versicherte zur weiteren ambulanten Psychotherapie festhalten will, dürfte zudem eine Übergangsregelung als erforderlich anzusehen sein, bis ein hinreichendes, flächendeckendes Angebot an Sprechstunden aufgebaut ist."
Wie lange Patienten weiterhin auch ohne Besuch einer Sprechstunde eine Psychotherapie in Anspruch nehmen können, wird erst Ende November vom G-BA entschieden. „Ein entscheidender Teil der Versorgung wird derzeit auch von approbierten Psychotherapeuten geleistet, die im Rahmen der Kostenerstattung ohne Zulassung zum vertragsärztlichen Versorgungssystem für Psychotherapeuten arbeiten. Es ist nicht vorstellbar, dass dieser Teil durch die Richtlinienreform wegfällt.“ Unklar sei auch, ob der Anteil der Psychotherapien, die zurzeit von Kostenerstattlern durchgeführt werden, nach Inkrafttreten der neuen Richtlinie stabil bleiben werden, so die psychologische Psychotherapeutin.

Wie viele Psychotherapieplätze das betrifft, können die Experten der DPtV nur schätzen. Denn aktuelle Zahlen der Psychotherapeuten ohne Kassenzulassung erfasst das BMG seit 2013 nicht mehr. Damals lag der Versorgungsanteil bei zwei Prozent. Etwa 45 Millionen Euro wurden den Leistungserbringer im Jahr 2012 nach Paragraf 13 Absatz 3 SGB 5 erstattet.

Im Gegensatz zum Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist die DPtV jedoch der Meinung, dass auch Kostenerstattler einen entscheidenden Teil zur Versorgung beitragen. „Die stetige Zunahme der Kostenerstattung seit dem Jahr 2002 von etwa 7,5 Millionen auf 45 Millionen Euro im Jahr 2012 lässt erahnen, bei welcher Dimension wir im Jahr 2016 angekommen sind“, vermutete Dieter Best, stellvertretender Bundesvorsitzender der DPtV und führte fort: „Hundert Millionen Euro im Jahr 2016 dürften realistisch sein.“ Wenn diese Privatpraxen Sprechstunden anbieten, sei derzeit offen, ob die Krankenkassen diese auch bezahlen, erklärte Lubisch.
Während laut GKV die Zahl der Kinder und Jugendlichenpsychotherapeuten, der Psychologischen und ärztlichen Psychotherapeuten zwischen 1999 und 2015 von etwa 15.000 auf 28.631 zugenommen hat (siehe Grafik 1), stieg auch die Zahl der Betroffenen mit psychischen Erkrankungen. Allein die Anzahl der Fehltage aufgrund psychischer Erkrankungen nahm seit dem Jahr 2000 um gute 80 Prozent. Das zeigte der aktuelle Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse.
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