Report: Deutschland auf gutem Weg bei Künstlicher Intelligenz, aber noch viele Baustellen

Berlin – Deutschland ist hinsichtlich des Wettlaufs rund um Anwendungen der Künstlichen Intelligenz (KI) zwar bereits schon gut aufgestellt. Allerdings gibt es auch noch viele Schwächen. Das zeigt der aktuelle „OECD-Bericht zu Künstlicher Intelligenz in Deutschland“, der die KI-Strategie der Bundesregierung nach fünf Jahren analysiert.
Der Report beleuchtet auch die Situation im Gesundheitswesen. So böten die Digitalgesetze (Gesundheitsdatennutzungsgesetz, Digitalgesetz sowie das anstehende Digitalagenturgesetz) eine Grundlage, um KI im Gesundheitswesen in Deutschland zu stärken, heißt es darin. Allerdings behindere die vorsichtige Auslegung der Datenschutzvorschriften die Innovationsfähigkeit im KI-Bereich.
Problematisch seien zudem mangelnde Schnittstellen (Interoperabilität) aufgrund des Mangels an Rechenschaftspflicht, Vertrauen und Anreizen, heißt es in dem Report weiter. Auf der anderen Seite sei die Öffentlichkeit sowie das Gesundheitspersonal davon überzeugt, dass KI die Gesundheitsergebnisse und das System verbessern werden. Entsprechend müsse es eine Entwicklung von Leitlinien geben, die den Zugang von Gesundheitsdaten für die Sekundärnutzung ermöglichen aber auch Menschen und ihre Datenschutzrechte schützen.
Das Gesundheitspersonal müsste darüber hinaus stärker bei der Entwicklung von KI-Lösungen einbezogen werden, so die Empfehlung. Damit könnte entsprechendes Vertrauen in die Lösungen gewonnen werden.
Über alle Branchen hinweg stehe Deutschland im Wettbewerb um KI-Talente im internationalen Vergleich gut da, erklärte bei der Vorstellung gestern Jerry Sheehan, Direktor der Direktion für Wissenschaft, Technologie und Innovation bei der OECD. So könne Deutschland entsprechende Fachkräfte für die Forschung aber auch für die Industrie anziehen und stehe an dritter Stelle bei der Frage, wohin KI-Talente hin migrieren. Auf Platz eins und zwei liegen Luxembourg und Kanada.
Viele KI-Publikationen
Auch in der Forschung ist Deutschland dem Bericht zufolge bereits auf einem guten Weg. Bei der Anzahl von Publikationen zu KI lande Deutschland auf Platz fünf, erklärte Sheehan. Wenn man die Publikationsqualität berücksichtige, verbessere sich dieses Ergebnis auf den vierten Platz.
Gut schneide Deutschland auch bei der vorhandenen Recheninfrastruktur ab, so Sheehan. Die Vereinigten Staaten (161 Supercomputer) und China (104) führten zwar bei der Zahl an Supercomputern der Top500-Liste vom November 2023, einer freiwilligen Weltrangliste von Supercomputern. Deutschland liege aber an dritter Stelle mit 36 Supercomputern.
Ein Schwachpunkt sei hingegen, dass noch relativ wenig Unternehmen in Deutschland täglich KI nutzen würden. 2023 nutzten zwölf Prozent der deutschen Firmen mindestens eine KI-Anwendung. 2021 lag dieser Wert noch bei 10,6 Prozent. Das sei zwar über dem EU-Durchschnitt von acht Prozent, aber deutlich unter dem Wert anderer EU-Staaten, sagte Sheehan.
Spitzenreiter ist demnach Dänemark, dort nutzen bereits knapp 25 Prozent der Firmen KI. Dem Bericht zufolge liefen Unternehmen, die keine KI einführen, Gefahr, ihre globale Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren und anfällig für Lieferkettenstörungen zu bleiben. Grundsätzlich seien Beschäftigte aber positiv gegenüber der Nutzung von KI gestimmt.
Männlich dominiertes Forschungsfeld
Ein weiteres Problem sei, dass Positionen in KI-Bereichen vor allem männlich dominiert seien. „Das globale Problem des Gender Gaps ist in Deutschland auch bei den Jobs im KI-Bereich deutlich feststellbar, und zwar vor allem auf den Führungsebenen“, heißt es im OECD-Report. Diese Ungleichheit schränke die Fähigkeit Deutschlands ein, den Arbeitsmarktanforderungen gerecht zu werden und dafür zu sorgen, dass KI-Lösungen der Vielfalt der Bevölkerung gerecht werden und keine Vorurteile und Biases festschreiben.
Zudem fehle es an öffentlichen Daten von Behörden oder Regierungsstellen. Hier liege Deutschland deutlich hinter etwa Südkorea, Frankreich, Polen oder Estland. Die Analyse ergab weiter, dass auch industrielle Daten noch deutlich zu wenig genutzt würden. Entsprechend gebe es noch Potenzial bei der Datennutzung.
Eine weitere Herausforderung seien fehlende Investments in Start-ups. Zwar sei die Zahl an KI-Start-ups dem Bericht zufolge in den vergangenen fünfzehn Jahren hierzulande deutlich gestiegen. 41,5 Prozent der jungen Unternehmen werden etwa aus der Wissenschaft heraus gegründet. Allerdings sind Förderungen von Start-ups im Vergleich zu USA, China, Großbritannien oder Israel in Deutschland deutlich niedriger. Der Staatssekretär Udo Philipp aus dem BMWK wünschte sich, dass die deutsche Gesellschaft in dieser Hinsicht risikofreudiger werde.
Deutschland müsse vor allem die Sektoren im Blick behalten, in denen KI den größten Einfluss haben werde, empfiehlt der Report weiter. Zudem hinke Deutschland bei wichtigen Voraussetzungen für die digitale Transformation hinterher und müsse etwa schnelle Internetanbindungen, eine bessere Recheninfrastruktur sowie die Verfügbarkeit von offenen Daten stärker etablieren. Auch Bürokratieabbau im öffentlichen Sektor könne die Wettbewerbsfähigkeit in dieser Hinsicht positiv beeinflussen.
Bevölkerung und Arbeitnehmer besser einbinden
Wichtig sei es zudem, die Bevölkerung und Arbeitnehmerinnen und -nehmer stärker einzubeziehen und zu informieren, empfiehlt der Report weiter. Lebenslanges Lernen und Weiterbildung auch parallel zur Berufstätigkeit müssten stärker genutzt werden. „Ich glaube nicht, dass wir wegen KI das deutsche Ausbildungssystem neu erfinden müssen“, sagte die Staatsekretärin Lilian Tschan aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS). Allerdings müsse Digitalisierung und KI stärker in der Ausbildung mitgedacht werden, betonte sie. Insbesondere an der Weiterbildungskultur müsse man arbeiten, um Weiterbildungen zu normalisieren und nicht als Manko anzusehen.
Die Staatssekretärin Sabine Döring aus dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) kündigte zudem an, dass Deutschland gemeinsam mit Frankreich etwa eine Plattform für KI-Talente etablieren wolle. Auch Polen sei mit an Bord. Ziel sei, sich europaweit zu vernetzen.
Der Bericht stützt sich auf qualitative und quantitative Daten. Unter anderem sind Daten zu den fünf Säulen der nationalen KI-Strategie 2020 (Köpfe, Forschung, Transfer and Anwendungen, Ordnungsrahmen und Gesellschaft) sowie zur Säule der Arbeitswelt eingeflossen. Die Daten stammen hauptsächlich aus dem OECD.AI Policy Observatory und dem vom BMAS unterstützten OECD Programme on AI in Work, Innovation Productivity and Skills (AI-WIPS). Zudem wurden 90 Interviews mit Stakeholdern aus Deutschland genutzt.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: