Rheinischer Ärztetag: Der Arztberuf muss familienfreundlicher werden
Köln – Für eine gute Kinderbetreuung und geregelte Arbeitszeiten in Krankenhäusern und Arztpraxen hat sich der Präsident der Ärztekammer Nordrhein, Rudolf Henke, ausgesprochen. Wenn man es der jungen Ärztegeneration nicht ermögliche, Beruf und Privatleben in Einklang zu bringen, werde sich der Ärztemangel deutlich verschärfen, sagte Henke heute beim 5. Rheinischen Ärztetag in Düsseldorf. Dort hatten sich mehr als 200 Ärztinnen und Ärzte versammelt, um über das Thema „Privatleben. Familie. Arztberuf: Vereinbarkeit als Erfolgsfaktor“ zu diskutieren.
Das Rollenverständnis der jungen Ärztinnen und Ärzte habe sich geändert, sagte Henke. Ärztinnen gehe es heute darum, möglichst Familie und Karriere unter einen Hut zu bringen. Gleichzeitig wünschten sich auch viele Ärzte mehr Zeit für die Familie. „Wir können davon ausgehen, dass die jungen Kolleginnen und Kollegen – gerade Mütter und Väter – nicht mehr 60 bis 80 Stunden pro Woche arbeiten wollen, sondern eine gute Balance zwischen Privatleben und Beruf anstreben“, erklärte Henke, der zugleich Bundesvorsitzender der Ärztegewerkschaft Marburger Bund ist.
Dies gewinne vor dem Hintergrund der immer weiblicher werdenden Medizin besondere Bedeutung: In Aachen, Bonn oder Essen betrage der Frauenanteil unter den Erstsemestern aktuell zwischen 61 und 68 Prozent. Im Kammerbereich Nordrhein seien 42 Prozent der Niedergelassenen Frauen. Bei den Neuniederlassungen hätten Frauen mit einem Anteil von 54 Prozent 2013 sogar die Nase vorn gehabt.
Familienfreundliche Arbeitsplätze haben Wettbewerbsvorteil
Henke wies darauf hin, dass familienfreundliche Arbeitsplätze auf dem für die Arbeitgeber immer enger werdenden Arbeitsmarkt einen klaren Wettbewerbsvorteil bedeuteten. Aber auch die Ärztekammern seien gefragt. „Für eine bessere Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf im Anschluss an das Medizinstudium ist die Umsetzung der Novelle der Muster-Weiterbildungsordnung wesentlich“, betonte Henke.
Die Reform ziele darauf ab, die bisherigen starren Abschnitte durch Qualifikationen in Kompetenzblöcken und –ebenen abzulösen. Innerhalb dieses neuen Rahmens solle dann auch die Weiterbildung in Teilzeit eine größere Rolle spielen. „Wir befinden uns in einer Anfangsphase eines Umdenkprozesses“, so der Kammerpräsident.
Zahlreiche Referenten wiesen anhand persönlicher Erfahrungen auf Probleme und mögliche Lösungen hin. Als vorbildlich gilt die wissenschaftliche Karriere von Claudia Borelli. Die Dermatologin hat zwei kleine Kinder, hat sich nebenbei habilitiert und leitet zurzeit die Einheit für Ästhetische Dermatologie und Laser der Universitäts-Hautklinik in Tübingen.
Weiterbildung flexibler gestalten
Doch auch Borelli sagte: „Ich bin längst nicht da, wo ich sein könnte, wenn ich keine Kinder hätte.“ Beruf und Familie zu vereinbaren sei zwar nicht mehr ausschließlich ein Frauenproblem, aber doch in erster Linie. Deshalb forderte auch sie wie Henke, die Betreuungsmöglichkeiten für Kinder auszubauen und die Weiterbildung flexibler zu gestalten. „Das Weiterführen einer Karriere muss möglich sein.“ Kolleginnen, die in einer ähnlichen Situation sind wie sie selbst, riet sie, nicht zu versuchen, „die perfekte Hausfrau der 1950er Jahre mit der Business-Frau von 2014 zu vereinen.
Das führt nur zu Burn-Out.“ Sie selbst halte sich an die 80-Prozent-Regel aus dem Prozessmanagement. Diese besage, dass 80 Prozent des Ergebnisses mit 20 Prozent Anstrengung erreicht werden. Für die letzten 20 Prozent benötige man 80 Prozent der Anstrengung: „Nicht jeder Geburtstagskuchen für die Schule muss selbst gebacken sein.“
Mit Widersprüchlichkeiten in ihrem Selbstbild haben aber offenbar inzwischen auch die Männer zu kämpfen. Sie würden zwischen ihrer traditionellen Rolle als Ernährer und ihrer neuen Rolle als aktive Väter hin und her gerissen, erklärte Raphael Schwiertz, Kinderarzt und Väterbeauftragter an der Universitätsklinik Essen. Wenn Väter mehr Zeit für die Familie aufwenden wollten, beispielsweise im Rahmen der Elternzeit, hätten sie noch immer mit mangelnder Akzeptanz bei Vorgesetzten und Kollegen zu kämpfen. Auch die Angst vor einem Karriereknick halte viele davon ab, längere Auszeiten aus dem Beruf zu nehmen.
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