Ärzteschaft

Rheumatologische Versorgung beginnt häufig sehr spät

  • Freitag, 25. August 2023
/auremar, stockadobecom
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Leipzig – Es dauert lange, bis Patienten mit einer entzündlich rheumatischen Erkrankung in eine rheumatolo­gische Behandlung kommen. So können zwischen den ersten Symptomen einer axialen Spondyloarthritis und dem Beginn der Betreuung durch eine Rheumatologin oder einen Rheumatologen im Mittel 67 Monate verge­hen.

Das berichtete die Präsidentin der Deutschen Rheuma-Liga, Rotraut Schmale-Grede, auf einer Vorab-Presse­kon­fe­renz anlässlich des Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), der vom 30. Au­gust bis 2. September in Leipzig stattfinden wird.

Für Betroffene mit rheumatoider Arthritis (RA) betrage der durchschnittliche Zeitraum zwischen Symptombe­ginn und rheumatologischer Behandlung 18 Monate und für Personen mit Psoriasis-Arthritis 29 Monate.

Dabei sei ein früher Beginn einer spezifischen Therapie wichtig, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, „dass sie die Erkrankung mildert, ihren Verlauf verlangsamt oder im günstigsten Fall zum Stillstand bringt“, betonte Schmale-Grede.

Der Kongresspräsident Christoph Baerwald, emeritierter Leiter der Abteilung Rheumatologie am Universitäts­kli­nikum Leipzig, wies zudem darauf hin, dass die die Zahl der Patientinnen und Patienten mit einer ent­zünd­lich rheumatischen Erkrankung hierzulande höher sei als gedacht.

So leiden Ergebnissen einer Studie zufolge bis zu etwa drei Prozent der Erwachsenen in Deutschland an einer solchen Krankheit. Eine juvenile Arthritis haben demnach 0,1 Prozent der Kinder und Jugendlichen. In Zahlen ausgedrückt sind das circa zwei Millionen betroffene Erwachsene und 14.000 betroffene Kinder und Jugend­liche.

Zudem nimmt die Zahl der Betroffenen mit entzündlich rheumatischen Erkrankungen und weiteren Autoim­mun­erkrankungen insgesamt zu, worauf Ergebnisse einer Studie aus Großbritannien hinweisen.

Laut Baerwald wird in beiden Arbeiten geschlussfolgert, dass die steigende Häufigkeit vor allem auf eine höhere Lebenserwartung, eine gesunkene Mortalität und eine verbesserte Frühdiagnostik zurückzuführen seien.

„Dies hat aber auch zur Folge, dass die Versorgung der Patienten gewährleistet sein muss“, forderte der Ex­perte. Dafür seien mehr Rheumatologinnen und Rheumatologen notwendig. Nach DGRh-Berechnungen wären das eine oder einer auf 50.000 Einwohner, so Schmale-Grede.

Darüber hinaus bestehen Geschlechtsunterschiede. So erhalten Frauen die Diagnose einer entzündlich rheu­matischen Erkrankung später als Männer, obwohl sie häufiger zu Ärztin oder Arzt gehen und oft gesünder leben, wie Studienergebnisse zeigen (Die Innere Medizin, 2023, DOI: 10.1007/s00108-023-01484-3).

Dabei ist „bei der Mehrzahl der rheumatischen Erkrankungen der Anteil an Frauen größer als der der Männer“, sagte Uta Kiltz, Oberärztin am Rheumazentrum Ruhrgebiet. Da gelte vor allem für Kollagenosen und die RA.

Geschlechtsspezifische Unterschiede etwa im Krankheitsverlauf und bei der Symptomatik seien für die Mehr­zahl der rheumatischen Erkrankungen beschrieben worden, so die Expertin weiter. Daher könne eine individu­alisierte Herangehensweise, die diese Differenzen berücksichtige, dazu beitragen, Diagnose und Behandlung besser auf die Bedürfnisse der oder des Einzelnen abzustimmen.

Ein weiterer Fokus lag auf der Prävention rheumatischer Erkrankungen bei Risikopatientinnen und -patienten. Andrea Rubbert-Roth, Leitende Ärztin und stellvertretende Leiterin der Klinik für Rheumatologie, Kantonsspital St. Gallen, stellte unter anderem eine Studie vor, in der die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Abatacept mit Placebo in dieser Indikation verglichen wurde (ACR Convergence 2022, Abstract 0530).

Hier sei zum ersten Mal gezeigt worden, dass die zeitlich limitierte Intervention mit Abatacept das Auftreten einer RA bei Betroffenen mit einer entsprechenden Risikokonstellation verhindern konnte.

Eine weitere Studie mit Abatacept hätte ähnliche Ergebnisse ergeben, so Rubbert-Roth (Ann Rheum Dis 2023, DOI: 10.1136/annrheumdis-2023-eular.1751). „Beide Studien zeigen, dass eine Frühintervention bei Hochrisiko­patienten möglich ist und gut toleriert wird.“ Sie zeigten aber auch, dass der Benefit im Laufe der Zeit nach einer Therapiepause geringer wird.

aks

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