RSV-Immunisierung: Lauterbach will Importwege öffnen, Einigung auf Honorierung

Berlin – Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die passive Immunisierung mit dem monoklonalen Antikörper Nirsevimab (Beyfortus) von Sanofi derzeit für Neugeborene und Säuglinge in ihrer ersten Saison, in der sie Infektionen mit respiratorischen Syntzialviren (RSV) ausgesetzt sind.
Über die Vergütung der Leistung in den Arztpraxen gibt es nun eine Einigung. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will darüber hinaus alles tun, um einen möglichen Versorgungsengpass mit Beyfortus zu verhindern.
Der Erweiterte Bewertungsausschuss (EBA) aus Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) und GKV-Spitzenverband verständigte sich gestern auf eine Honorierung in Höhe von 8,95 Euro für die RSV-Prophylaxe bei Säuglingen. Hinzu kommt ein Zuschlag von 4,17 Euro, sofern Nirsevimab nicht über den Sprechstundenbedarf bezogen werden kann.
Entscheiden sich Eltern nach einer Beratung gegen eine Immunisierung, können Kinder- und Jugendmediziner und Hausärzte für die Aufklärung 3,82 Euro alternativ geltend machen. „Das ist ein wichtiges Signal – obwohl wir eine höhere Vergütung für angemessen gehalten hätten“, betonte Gassen.
Die Abrechnung soll ab sofort möglich sein. Das geht aus einem Beschlussentwurf des EBA hervor, der dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt.
„Neugeborene und Säuglinge haben nun bis zur Vollendung ihres ersten Lebensjahres Anspruch auf eine einmalige Versorgung mit Arzneimitteln mit dem monoklonalen Antikörper Nirsevimab zur allgemeinen Prophylaxe gegen das RSV-Virus“, sagte ein Sprecher des GKV-Spitzenverbands. Damit sei es der Selbstverwaltung gelungen, innerhalb kürzester Zeit und rechtzeitig vor der beginnenden Erkältungssaison eine Lösung zum Schutz der Kleinsten zu finden.
Das Bundesministerium für Gesundheit hatte zum 14. September eine Verordnung zum Anspruch auf Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe gegen Respiratorische Synzytial Viren (RSV-Prophylaxeverordnung) erlassen.
Ziel der Verordnung ist es, die Häufigkeit schwer verlaufender RSV-Erkrankungen bei Neugeborenen und Säuglingen zu reduzieren und RSV-bedingte Hospitalisierungen, intensivmedizinische Behandlungen und RSV-bedingte Todesfälle sowie stationäre und ambulante Versorgungsengpässe zu verhindern.
Aus diesem Grund erhalten nach Paragraf 1 der RSV-Verordnung alle Versicherte bis zur Vollendung ihres ersten Lebensjahres Anspruch auf eine einmalige Versorgung mit Arzneimitteln mit dem monoklonalen Antikörper Nirsevimab zur allgemeinen Prophylaxe gegen das Respiratorische Synzytial Virus (RSV).
Dass nun auch ausreichend Antikörperpräparate verfügbar sind, steht derzeit auf der Agenda des Ministers. Dieser hatte gestern bei einem Besuch des Achenbach Krankenhauses des Klinikums Dahme-Spreewald in Königs Wusterhausen erklärt, es gebe einen Engpass mit Beyfortus in Europa. Er werde „den Bedarfsfall deklarieren“. Das Präparat solle auch aus den Vereinigten Staaten eingeführt werden können. Das soll über das Land Hessen passieren.
Bei dem Krankenhausbesuch war in Bezug auf Beyfortus mehrfach von einer Impfung die Rede. Das ist aber medizinisch nicht ganz korrekt. Der monoklonale Antikörper Nirsevimab wird zwar wie eine Impfung verabreicht. Die medizinische Wirkung unterscheidet sich aber von Impfstoffen. Der Antikörper Nirsevimab bietet dem Körper einen direkten Schutz. Klassische Impfstoffe hingegen sollen das Immunsystem unter anderem anregen, selbst Antikörper herzustellen.
Ministerium befürchtet Engpass
Bisher gibt es zudem keinen festgestellten Lieferengpass oder Versorgungsengpass hierzulande. Aber das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) geht offenbar von einer sehr hohen Nachfrage für die kommende RSV-Saison und einer kurzzeitigen Verknappung aus.
„Aktuell kann noch nicht genau vorhergesagt werden, wie hoch die Nachfrage/Immunisierungsquote tatsächlich sein wird“, sagte BMG-Sprecher Hanno Kautz auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblattes. Allerdings werde Sanofi wegen der aktuell europaweit hohen Nachfrage nach Beyfortus eine größere Zahl an Dosen in deutscher Aufmachung dem deutschen Markt voraussichtlich erst in einigen Wochen zur Verfügung stellen können.
Da Sanofi andererseits über qualitativ gleichwertige US-Ware verfüge und diese kurzfristig in Deutschland auf den Markt bringen könne, habe sich der Minister entschieden, einen entsprechenden Versorgungsmangel bekanntzugeben, um den zuständigen Landesbehörden damit im Wege einer Ausnahmeregelung die Möglichkeit zu geben, Sanofi die Einführung dieser US-Ware zu gestatten.
Von einer Bevorratung werde abgesehen, es handele sich um eine befristete Maßnahme, die zeitlich maximal auf die anlaufende RSV-Saison 2024/2025 begrenzt sein werde, betonte der Sprecher. Betroffen seien 100 mg-Dosen zur Anwendung bei Neugeborenen und Säuglingen ab einem Geburtsgewicht von fünf Kilogramm.
Erst vor wenigen Tagen hatte das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) darauf hingewiesen, dass Sanofi in den nächsten Wochen auch französische und spanische Verpackungen des Arzneimittels in Deutschland auf den Markt bringen will. Da den französischen und spanischen Impfstoffen keine deutschsprachige Packungsbeilage beiliegt, stellt das PEI eine deutschsprachige Packungsbeilage (Gebrauchsinformation) sowie die Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels (Fachinformation) zum Download zur Verfügung.
Sanofi teilte auf Nachfrage mit, dass man durch die STIKO-Empfehlung zur RSV-Immunisierung für alle Säuglinge für die kommende Saison eine deutlich erhöhte Nachfrage nach Beyfortus (Nirsevimab) erwarte. Man habe die Produktionskapazitäten von Beyfortus um das Dreifache erhöht.
Erste Immunisierungen von Säuglingen mit einem erhöhten Risiko würden in Deutschland bereits seit September durch die Bereitstellung französischer und spanischer Packungen erfolgen. Ab Oktober würden „kontinuierlich“ weitere Dosen für die breite Immunisierung ausgeliefert, um ausreichend Dosen im Laufe der RSV-Saison im Markt zu haben und so allen Säuglingen einen Schutz vor RSV ermöglichen zu können. Die weltweite Versorgungssituation habe man im Blick.
Die STIKO rät zu der Immunisierung, um Babys vor schweren Infektionen während ihrer ersten RSV-Saison zu schützen. Das Präparat soll RSV-bedingte Krankenhausaufenthalte und Todesfälle sowie ambulante und stationäre Versorgungsengpässe verhindern helfen.
Die Studien zur RSV-Prophylaxe mit Nirsevimab haben der STIKO zufolge gezeigt, dass ein Schutz über einen Zeitraum von sechs Monaten nach der Gabe möglich ist. Es bestehe eine Schutzwirkung von etwa 75 Prozent. Dies hätten Real-World-Daten aus Frankreich, Spanien und den USA bestätigt – Länder, in denen die Prophylaxe mit Nirsevimab bereits in der vergangenen RSV-Saison durchgeführt worden sei.
Der Zeitpunkt der RSV-Prophylaxe mit Nirsevimab richtet sich nach dem Geburtstag der Kinder: Liegt er zwischen April und September – außerhalb der RSV-Saison –, sollte die Injektion der STIKO zufolge im Herbst vor Beginn ihrer ersten RSV-Saison erfolgen.
Fällt der Geburtstag in die Monate zwischen Oktober und März, das heißt während der RSV-Saison, sollte die Nirsevimab-Gabe möglichst schnell nach der Geburt durchgeführt werden. Im Idealfall geschieht sie der STIKO zufolge bei Entlassung aus der Geburtseinrichtung – etwa im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung U2, die am dritten bis zehnten Lebenstag durchgeführt wird.
Während der RSV-Saison auf die Welt gekommene Neugeborene, die nach der Geburt länger im Krankenhaus bleiben müssen, sollten die intramuskuläre Injektion rechtzeitig vor der Entlassung erhalten, rät die STIKO. Sie könne auch bereits während des Klinikaufenthalts erwogen werden, um so unter Umständen nosokomiale Infektionen zu vermeiden.
Für gesunde Kinder von Müttern, die sich während der Schwangerschaft gegen RSV haben impfen lassen, ist eine Nirsevimab-Gabe in der Regel nicht erforderlich, so die STIKO. Bestünden allerdings Risikofaktoren beim Neugeborenen oder sei die Schwangere erst in den zwei Wochen vor der Geburt geimpft worden, empfehle es sich, zusätzlich den Antikörper zu verabreichen.
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