„Ärztliche Präsenz und direkte Interaktion sind aber auch in Zukunft unverzichtbar“
Bad Segeberg/Berlin – Kommunikation über das Internet wird zunehmend wichtig für Ärzte und Patienten. Den Anfang machte im Jahr 2011 die virtuelle Arztpraxis DrEd, die von London aus operiert, weil sie sich nicht an das in Deutschland geltende berufsrechtliche Verbot der ausschließlichen Fernbehandlung hält. Seit Ende letzten Jahres gibt es aber auch einige deutsche Plattformen wie Patientus, Arztkonsultation.de oder Free-med, die Patienten per Video-Chat die Möglichkeit zu einem Arztgespräch anbieten.

5 Fragen an Dr. Franz-Joseph Bartmann, Präsident der Ärztekammer Schleswig-Holstein und Vorsitzender des Ausschusses Telematik bei der Bundesärztekammer
DÄ: Nach dem Start der ersten Anbieter von virtuellen Arztsprechstunden auch in Deutschland - steht uns ein Wildwuchs solcher Angebote bevor?
Bartmann: Die Zahl der Angebote wird vermutlich zunächst weiter zunehmen. Entscheidend für die Durchsetzung werden die Benutzerfreundlichkeit und vor allem die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sein. Datenschutz und Datensicherheit sind bei diesen Angeboten auch sehr wichtig – so darf beispielsweise der Provider des Services keinen Zugang zu patientenbezogenen Informationen haben.
DÄ: Was sollten Ärzte, die einen solchen Dienst für ihre Patienten anbieten wollen, beachten?
Bartmann: Neben berufs- und haftungsrechtlichen Konformitätsprüfungen sollte jeder potenzielle Anbieter genau prüfen, ob der Nutzen für alle Beteiligten sowie Aufwand und Erlös in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen.
DÄ: Welche Chancen und Risiken bieten virtuelle Arzt-Patienten-Kontakte?
Bartmann: Bei Bestandspatienten bietet sich vor allem die Chance, den Praxisbetrieb zu entzerren und ein Verlaufsmonitoring und Verlaufsbesprechungen für beide Seiten zeitökonomischer umzusetzen. Unnötige Wege- und Wartezeiten für Patienten können so vermieden werden. Ärztliche Präsenz und direkte Interaktion sind aber auch in Zukunft unverzichtbar.
DÄ: Welche berufsrechtlichen Anpassungen sind für Onlineangebote wie Patientus nötig - ist diesbezüglich konkret etwas geplant?
Bartmann: Zunächst ergibt sich nicht die Frage, ob- und wie sich das Berufsrecht einzelnen neuen Angeboten anpassen muss. Vielmehr haben sich diese am jeweils geltenden Berufsrecht zu orientieren. Gleichwohl muss das Berufsrecht die jeweilige Realität ärztlicher Berufsausübung berücksichtigen. Und diese wird, wie im gesamten übrigen gesellschaftlichen Umfeld, elektronische Kommunikationsformen in unterschiedlichen Interaktionsmodellen in Zukunft einbeziehen.
DÄ: Wird sich durch Angebote wie Online-Videochats das Arzt-Patienten-Verhältnis verändern?
Bartmann: Ein verändertes Bewusstsein im Arzt-Patienten-Verhältnis ist doch wohl die zwingende Voraussetzung für die Akzeptanz derartiger Kommunikationsformen und nicht in erster Linie deren Folge. Viele Patienten nutzen heute zusätzliche Informationsquellen – dem behandelnden Arzt kommt dann häufig die Rolle des Lotsen im Informationsnebel zu.
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