„Ausnahmen, Spielräume, Beinfreiheit für die Länder führen zu einem Flickenteppich“
Berlin – Die Krankenhauslandschaft steht vor einem Umbruch. Wie deutlich dieser wird, könnte auch durch das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) bestimmt werden. Die schwarz-rote Koalition plant, das Gesetz der Ampelregierung anzupassen. In den kommenden Tagen wird ein erster Entwurf für das „Krankenhaus Anpassungsgesetz (KHAG)“ erwartet.
Über den Stand der Krankenhauslandschaft sprach das Deutsche Ärzteblatt mit Jens Scholz, dem Vorsitzenden der Deutschen Universitätsklinika (VUD). Der Professor für Anästhesiologie ist seit 2009 auch Vorstandsvorsitzender des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein.
5 Fragen an Jens Scholz, Vorsitzender der Deutschen Universitätsklinika

Wie sehen Sie den Stand der Krankenhauspolitik im Moment?
In einem tiefgreifenden Umbruch. Die Krankenhausreform liegt vor und verfolgt die richtigen Ziele. Sie kann Strukturen verändern und eine Antwort auf die Demografie geben. Jetzt geht es darum, die Reform konkret umzusetzen und in Fahrt zu bringen.
Wir dürfen das große Ganze nicht aus dem Blick verlieren und schon gar nicht durch Verwässerung aufs Spiel setzen: Wir brauchen eine echte Reform, die tatsächlich Strukturen verändert – hin zu mehr Qualität, bedarfsgerechter Versorgung und einer besseren Patientensteuerung in koordinierten Netzwerkstrukturen.
Warum ist dies aus Ihrer Sicht problematisch?
Das ist nicht problematisch, sondern Ausdruck eines notwendigen politischen Prozesses des Aushandelns. Bei einer Reform dieses Ausmaßes, mit weitreichenden Folgen für Bundesländer, Träger und natürlich die Patientinnen und Patienten, ist es verständlich, dass gerungen wird und in Einklang gebracht werden muss.
Das gehört schon auch zur Akzeptanzbildung und zum föderalen System dazu. Die Reibungen, die zutage treten, zeigen eher, dass sich tatsächlich etwas in Bewegung setzt.
Wenn nun das Bundesgesundheitsministerium eine Reform angeht: Was müsste aus Ihrer Sicht am bisherigen Gesetzestext verändert werden?
Natürlich kann man über einzelne Details diskutieren – aber das Prinzip, dass nur dort Leistungen angeboten werden dürfen, wo auch die entsprechenden personellen und strukturellen Voraussetzungen vorgehalten werden, ist richtig.
Gelegenheitsversorgung muss verhindert und komplexe Leistungen nur an dafür qualifizierten Standorten erbracht werden. Ausnahmen, Spielräume, Beinfreiheit für die Länder führen zu einem Flickenteppich – den haben wir jetzt schon.
Für Universitätsklinika rückt mit dem anstehenden Anpassungsgesetz nochmal der Transformationsfonds in den Mittelpunkt. Der Koalitionsvertrag hält zu Recht fest, dass Universitätsklinika angemessen berücksichtigt werden müssen. Das muss jetzt mit dem anstehenden Gesetzgebungsvorhaben auch angepackt werden.
Wie bewerten Sie in diesem Zusammenhang die derzeitigen Äußerungen der Ministerin Nina Warken zu ihrem geplanten „Krankenhaus Anpassungsgesetz“?
Das Anpassungsgesetz liegt Stand heute noch nicht vor. Positiv ist sicher, dass die Bundesgesundheitsministerin betont, an der Reform festhalten zu wollen, den Status quo nicht konservieren oder Veränderungen aufhalten möchte.
Und ja, eine gute Erreichbarkeit von medizinischer Versorgung ist wichtig – aber wohnortnah darf nicht bedeuten, dass wie bisher an zu vielen Orten alles angeboten wird, notfalls noch über Kooperationen. Die Qualität medizinischer Leistungen hängt nicht vom kürzesten Weg, sondern von der Kompetenz und Ausstattung des Standorts ab.
Das KHVVG enthält bereits Ausnahmen, insbesondere für die Sicherstellungskrankenhäuser. Und wurde – zur Erinnerung – im Bundesrat ohne Vermittlungsausschuss gebilligt. Zu viele Ausnahmen oder länderspezifische Spielräume können die Ausnahmen zur Regel werden lassen und so die Reform verwässern.
Bisher war angedacht, den Unikliniken im Rahmen der Krankenhausreform eine größere Koordinierungs- und Steuerungsfunktion zu geben. Können die Kliniken das in Zukunft leisten?
Wir können nicht nur, wir wollen und wir müssen! Das haben wir in der Pandemie täglich bewiesen. Wenn jeder seiner Aufgabe und Rolle nachkommt, können auch Uniklinika ihre besondere Aufgabe für die regionale Versorgung besser wahrnehmen.
Es geht nicht darum, dass alle Patientinnen und Patienten in den Unikliniken behandelt werden. Vielmehr braucht es Koordination – damit die Menschen dort versorgt werden, wo sie medizinisch am besten aufgehoben sind.
So verstehen wir uns: als Partner in der fachlichen Vernetzung, Treiber für Qualität und Innovation mit viel Erfahrung in der Organisation stationärer Versorgung. Deshalb gilt auch: Wenn die Universitätsklinika nicht angemessen im Transformationsfonds berücksichtigt werden, bleibt ein wesentliches Potenzial ungenutzt.
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