„Der bereits jetzt deutliche Anstieg an Hautkrebsfällen wird leider in den nächsten Jahren weiter zunehmen“
Witten/Herdecke – Sonnenstunden nehmen zu, es wird wärmer und die Menschen verbringen mehr Zeit draußen. Ein höherer UV-Index infolge des Klimawandels sorgt so dafür, dass das Hautkrebsrisiko steigt. Welche persönlichen Schutzmaßnahmen alle Menschen ergreifen sollten und welche Rolle die Ärzteschaft und Politik einnehmen sollten, davon berichtet die Dermatologin Silke Hofmann dem Deutschen Ärzteblatt.

5 Fragen an Silke Hofmann, Direktorin des Zentrums für Dermatologie, Allergologie und Dermatochirurgie, Witten/Herdecke
Inwieweit ist die Gefahr in den vergangenen Jahren infolge des Klimawandels gestiegen, durch UV-Strahlungen gesundheitliche Schäden zu erleiden?
Die Treibhausgasemission verhindert immer noch die ausreichende Regeneration der Ozonschicht. Dies bedingt zusammen mit sogenannten Niedrig-Ozon-Ereignissen, einer geringeren Bewölkung und einer zunehmenden Anzahl von sonnigen und warmen Tagen pro Jahr, dass die UV-Bestrahlungsstärke kontinuierlich über die letzten Jahre gestiegen ist. Oft liegt sie bereits im Frühjahr deutlich höher als noch vor einigen Jahren.
Zum erhöhten Hautkrebsrisiko trägt aber auch das geänderte Freizeitverhalten der Menschen mit häufigeren Aufenthalten im Freien bei. Die meisten Menschen sind demzufolge heute stärker der UV-Strahlung ausgesetzt.
UV-Strahlung führt zu DNA-Schäden in den Keratinozyten und trägt so maßgeblich zur Hautkrebsentstehung, aber auch zu vorzeitiger Hautalterung bei. Durch UV-Strahlung entstehen DNA-Photoprodukte, reaktive Sauerstoffspezies bewirken zudem indirekte DNA-Schäden.
Werden die Schäden nicht durch Nukleotid-Exzisions-Reparatur behoben, entstehen Mutationen in Tumorsuppressorgenen, wie dem TP53, und wachstumsfördernde Signalwege werden aktiviert. Dies gilt sowohl für den keratinozytären Hautkrebs (nicht-melanozytärer Hautkrebs, in erster Linie Basalzellkarzinome und Plattenepithelkarzinome) wie auch für die Melanomentstehung. Etwa 95 % aller Hautkrebserkrankungen sind UV-getriggert, weshalb UV-Strahlung auch nach Nikotin als zweit bedeutsamstes Karzinogen einzustufen ist.
Wie wird sich diese Gefahr aus Ihrer Sicht mit fortschreitendem Klimawandel verändern?
Durch Emissionen von ozonabbauenden Treibhausgasen, Methanausstoß durch Tierhaltung und Waldrodungen sowie Waldbrände ist zu befürchten, dass die Erderwärmung weiter zunimmt und hiermit auch die sonnenbrandwirksame UV-Bestrahlungsstärke.
Gleichzeitig wird die im Freien verbrachte Zeit aufgrund des wärmeren Wetters in Mittel- und Nordeuropa weiter steigen. Der bereits jetzt deutliche Anstieg an Hautkrebsfällen wird leider in den nächsten Jahren, auch aufgrund der demographischen Entwicklung, weiter zunehmen.
Wer ist durch UV-Strahlungen besonders gefährdet und weshalb?
Outdoor Worker wie zum Beispiel Beschäftigte in der Landwirtschaft, im Baugewerbe, Straßenarbeiter oder Bademeister sind besonders gefährdet durch UV-Strahlung Plattenepithelkarzinome und multiple Präkanzerosen im Sinne der aktinischen Keratosen zu entwickeln.
Diese Diagnosen können als Berufskrankheit Nr. 5103 anerkannt werden und sollten daher unbedingt mittels einer Berufskrankheiten-Anzeige der Berufsgenossenschaft gemeldet werden.
Weiterhin sind Freizeitsportler und Menschen, die regelmäßig Gartenarbeit verrichten, gefährdet, wenn sie keinen ausreichenden Sonnenschutz im Freien betreiben. Von Sonnenbaden im Freibad oder im Urlaub muss man klar abraten aufgrund des deutlich erhöhten Risikos für UV-bedingte Hautschäden.
Wie können sich die Menschen wirkungsvoll vor UV-Strahlung schützen?
Da UV-Strahlung nicht bewusst wahrnehmbar ist, sollte sich jeder über den täglichen UV-Index in Wetter-Apps oder online beim deutschen Wetterdienst oder dem Bundesamt für Strahlenschutz informieren im Zeitraum von März bis Oktober/November.
Bei einem UV-Index ≥3 sollte sich jeder mit Textilien, Sonnenbrille und Sonnenschutzcreme in ausreichender Menge schützen. Dazu gehören langärmlige Kleidung und eine Kopfbedeckung. Die Sonnencreme sollte mindestens Lichtschutzfaktor 30, besser noch 50 haben und einen guten Schutz auch vor UVA-Strahlung bieten. Dies ist erkennbar an einem Kreissymbol um die Aufschrift UVA.
Je heller der eigene Hauttyp und je höher der tagesaktuelle UV-Index, desto stärker muss der persönliche Schutz vor UV-Strahlung ausfallen. Es ist hilfreich, sich zweimal nacheinander einzucremen, um sicherzugehen, dass ausreichend Sonnencreme an allen nicht bekleideten Körperstellen benutzt wurde. Natürlich sollte auch die Mittagshitze zwischen 11 – 16 Uhr gemieden werden oder ein Schattenplatz bevorzugt werden.
Was können sowohl Ärztinnen und Ärzte als auch die Politik dazu beitragen, die Menschen vor gesundheitlichen Schäden durch UV-Strahlungen zu schützen?
Es ist Aufgabe der Politik in der Städteplanung UV-reduzierende Maßnahmen wie schattenspendende Bäume und eine kühlend wirkende Begrünung von Dächern oder Hauswänden zu berücksichtigen. Hilfreich wären auch mehr Sonnensegel oder Markisen in Kindergärten und Schulen oder auf Sportplätzen. Sportvereine sollten stärker darauf achten, dass Trainings und Spiele möglichst nicht in der Mittagshitze stattfinden.
Es wäre sicherlich hilfreich, wenn ähnlich wie bereits in den Niederlanden, auch hierzulande Sonnenschutzcreme in Parks, Freibädern oder an Stränden kostenlos in Spendern verfügbar wäre. Sonnenschutz muss gesellschaftspolitisch verankert werden.
Lehrer, Erzieher, aber auch wir Ärzte sollten unser Wissen über wirksame UV-Schutzmaßnahmen und Klimaanpassungsstrategien weitergeben und als Multiplikatoren fungieren. Auch die S3-Leitlinie „Prävention von Hautkrebs“ fordert wirksame Präventionsmaßnahmen zur Vorbeugung von UV-bedingten Krebserkrankungen, damit die Bevölkerung besser geschützt wird vor der Noxe UV-Strahlung.
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